Alles auf Anfang Marie - Roman
Hefte vorhanden waren. Dann rief ich eine Bekannte an, die schon schulpflichtige Enkelkinder hatte, und erkundigte mich nach den üblichen Gepflogenheiten. Sie war etwas überrascht, informierte mich aber dann bereitwillig darüber, dass ihre Schwiegertochter für die ganze Familie T-Shirts hergestellt hatte, auf denen »Lauras erster Schultag« zu lesen war. Das Wohnzimmer war mit einer Alphabet-Girlande geschmückt worden, und zum Mittagessen hatte es unter anderem Buchstabensuppe gegeben.
»Die hat sie selbst gemacht!«, hob Monika hervor. »Das restliche Essen war natürlich vom Italiener, dazu hätte sie gar keine Zeit gehabt.«
»Sieh mal an«, staunte ich. »Und du warst dann auch zum Mittagessen eingeladen?«
»Und zum Kaffee!«, betonte Monika. »Die Kuchen haben die andere Oma und ich gemacht. Ich habe eine Himbeer-Sahne gebacken, mit rosa Schultüten aus Marzipan drauf. Ganz niedlich, sage ich dir! Die gibt es bei dieser Konditorei in Möllenbeck, man muss aber vorbestellen, die haben immer viel zu tun um diese Zeit.«
»Ja, das klingt hübsch«, sagte ich etwas lahm. »Aber in meinem Fall geht es um einen Jungen, und ich glaube nicht, dass seine Mutter so viel plant.«
»Oh, da frag sie aber besser mal!«, meinte Monika. »Die tauschen sich heutzutage doch schon im Kindergarten aus mit Bastelideen und so. Da möchte doch niemand, dass das eigene Kind den Eindruck hat, man würde diesen Tag nicht angemessen würdigen. Schließlich ist es so wichtig, einen guten Start in die Schulzeit zu haben, findest du nicht auch?«
»Natürlich«, sagte ich. Ich sah Kevin vor mir mitseinen dreckigen Fingern und dem verblichenen T-Shirt und fragte mich, was für einen Start er haben würde. Ich hatte keine Ahnung, ob er wohl ein guter Schüler werden würde. Ob ich mich mal bei Frau Schirmer erkundigen sollte? Besser nicht. Vielleicht würde die dann wieder was Falsches von mir denken.
»Wenn du möchtest, kann ich gern mal bei meiner Schwiegertochter nachfragen«, bot Monika mir an. »Die hat zum Beispiel ganz niedliche Vorlagen für Visitenkarten.«
»Visitenkarten?«
»Klar! Die können die Kinder in ihrer Klasse austauschen, damit sie sich besuchen können. So lernen sie sich viel schneller kennen.«
»Aber die können die doch noch gar nicht lesen«, warf ich irritiert ein.
»Die müssen sie ja auch ihren Müttern geben, damit die sich absprechen können«, belehrte sie mich. Ich versuchte mich zu erinnern: Visitenkarten hatte es bei Lotta und Christoph noch nicht gegeben. Aber ich wusste noch, dass ich viel durch die Gegend gefahren war und meine liebe Mühe hatte, die Termine meiner Kinder zu koordinieren. »Laura konnte außerdem schon lesen. Sie war ja immer schon so aufgeweckt, da hat meine Schwiegertochter sie zu dieser Vorschulakademie angemeldet.«
»Vorschulakademie?«
»Ja, das ist ein ganz neues Konzept, von irgendwelchen italienischen Pädagogen entwickelt. Die Kinder lernen ganz spielerisch. Es gibt Englisch, Deutsch und Naturwissenschaften. Demnächst wohl auch Spanisch, aber das gab es zu Lauras Zeit leider noch nicht. Schade, das hätte ja gut gepasst, wo wir doch die Wohnung auf Mallorca haben.«
Ich hatte den Eindruck, genug gehört zu haben. Außerdem war Henning zurückgekommen. »Hochinteressant«, sagte ich.
»Auf jeden Fall!«, sagte Monika. »In welcher Schule findet denn die Einschulung statt, zu der du hingehen willst?«
»Fröbelschule.«
Ich nahm wahr, wie sie eine kleine Pause machte. »Ach ja. Die haben natürlich ein paar Probleme.«
»Tatsächlich?« Ich hatte mich schon lange nicht mehr mit den städtischen Grundschulen beschäftigt.
»Natürlich! Hör mal, dieses Einzugsgebiet! Viele Migranten und so … also man hört nicht das Beste von der Fröbelschule. Aber die Schulleiterin ist sehr tüchtig, das muss man sagen. Legt viel Wert auf musikalische Früherziehung.«
Ich war mir nicht sicher, ob es das war, was Kevin am dringendsten brauchte. Aber vielleicht entdeckte er dabei ein Talent für sein Leben? Während ich noch über diese Frage nachsann und gleichzeitig mit Wohlgefallen beobachtete, wie Henning mit einer Flasche Wein und zwei Gläsern ins Wohnzimmer kam, fragte mich Monika, was ich denn zu diesem Event anzuziehen gedächte.
»Darüber habe ich noch nicht nachgedacht!«, sagte ich aufgeschreckt. »Gibt es dafür einen Dresscode?« Das hätte mir gerade noch gefehlt: Jetzt müsste ich mir womöglich für diesen Anlass ein Oma-Kleid kaufen. Ich sah
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