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Alles auf Anfang Marie - Roman

Alles auf Anfang Marie - Roman

Titel: Alles auf Anfang Marie - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Schroeder
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dem Herrn Hoffmeister mit.«
    Drei Paar Augen sahen mich ungläubig an. Oder sogar vier, weil Nicole auch ein wenig indigniert aussah. »Wieso kriegt der denn auch was?«, wollte Nuala wissen.
    »Immerhin hat der doch die Getränke hochgetragen«,sagte ich. »Und er hat sofort den Boiler repariert, als ich ihm das gesagt habe.«
    »Wieso ist der immer so scheißfreundlich zu Ihnen?«, fragte Gonzalez. »Ist der scharf auf Sie?«
    Ein frühreifer Knabe! Ich sah ihn verdutzt an. »Wohl kaum. Der ist einfach nett, weil ich zu ihm auch freundlich bin. So läuft das normalerweise. Wie man in den Wald hineinruft, so tönt es heraus.«
    Jetzt krausten sich mehrere Stirnen. »Wieso Wald? Hier ist doch gar kein Wald.«
    »Das ist eine Redensart«, erläuterte ich. Da war ich für die jungen Nowakowskis wohl etwas zu philosophisch geworden. »Es gibt eine andere, die heißt: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu. Versteht ihr, was damit gemeint ist?«
    »Nee«, gestand Nuala. Gonzalez fand das Thema wohl insgesamt nicht so interessant und stand auf, ohne sich weiter um die Sachen auf dem Tisch zu kümmern, während Kevin noch immer eifrig an seinem letzten Stück kaute. Auch Nicole hatte sich schon wieder ihrem Fernseher zugewandt.
    Seufzend trug ich das Blech mit der Thunfischpizza zur Küchenzeile zurück. Erst jetzt verstand ich in vollem Ausmaß, warum wir bei unseren Kindern immer so sehr auf Tischmanieren geachtet hatten. Vielleicht war es ja auch ein Tick von mir, aber an einem Couchtisch zu essen, wo jeder kam und ging, wie es ihm passte, war einfach nicht mein Ding. Ich war regelrecht froh, als ich mitsamt der Thunfischpizza die Wohnung verlassen konnte. Bei Hannes Hoffmeister würde ich wenigstens an einem richtigen Tisch sitzen, wo ich mich nicht so unbequem zusammenklappen musste   …
    Ich hörte ihn schon durch die geschlossene Tür brüllen. Irgendwas lief wohl wieder nicht ganz nach Plan. Undwenn die Kinder das öfter mitkriegten, konnte man sich natürlich vorstellen, woher ihre Einschätzung kam.
    Vorsichtig öffnete ich die Tür, von der ich inzwischen wusste, dass sie nicht verschlossen war, sondern nur ein wenig klemmte. Das Gebrüll verstummte. Drei Gesichter blickten mir entgegen, und so viel anders als vorher bei den Nowakowskis war das auch nicht.
    »Gut, dass Sie kommen«, sagte Hannes. »Dann kann ich einen Kaffee trinken und mich beruhigen, und diese beiden Komiker können sich überlegen, warum man ›Entsorgung‹ nicht mit ›d‹ schreibt.«
    »Wär aber doch eine Alternative«, sagte ich erheitert.
    »Dann erklären Sie das mal meinem Kunden«, sagte er. Aber er grinste schon wieder.
    Ich folgte ihm in den kleinen Besprechungsraum, der wieder ganz ordentlich war, und stellte mein Blech ab. »Ich hoffe, Sie mögen lauwarme Thunfischpizza?«
    »Erstens kann ich sie ja kurz in die Mikrowelle schieben«, sagte er, »und zweitens habe ich schon ganz andere Sachen gegessen.«
    »Das beantwortet die Frage nicht.«
    »Stimmt.« Er schmunzelte. »Doch, ich mag Thunfischpizza. Vor allem selbst gemachte.«
    »Na dann los. Es war alles, was ich vor den Nowakowskis retten konnte.«
    »Moment. Wenigstens ein bisschen Stil muss sein.« Er ging und holte zwei Teller und Besteck.
    »Für mich nicht, danke«, wehrte ich ab. »Ich hab oben schon mitgegessen. Was ein Fehler war, denn die haben keinen Esstisch.«
    »Ach ja. Der Riesenfernseher ist wichtiger«, knurrte er und lud sich ein Stück von der Pizza auf den Teller. »Wieso sind Sie überhaupt hier? Kommt Ihr Mann mittags nicht nach Hause?«
    »Meistens nicht«, sagte ich. »Im Augenblick ist er zum Beispiel in Hannover.«
    »Hat Karriere gemacht, was?« Er warf mir einen schwer zu deutenden Blick zu. »Zielstrebig und ehrgeizig, unser Henning.«
    »Das ist nicht das Schlechteste«, verteidigte ich meinen Mann.
    »Das habe ich auch nicht gesagt.« Er wedelte mit seiner Gabel. »Sehr gut, die Pizza. Aber das hatte ich auch nicht anders erwartet.«
    »Dann bin ich ja froh, dass ich Ihre hochgesteckten Erwartungen nicht enttäuscht habe.« Ich wusste nicht, ob er heute anders war   – irgendwie aggressiver, herausfordernder   – oder ob Gonzalez’ dreiste Unterstellung mich nachhaltig beeinflusst hatte.
    »Das kam wohl falsch raus«, sagte er rasch. »Ich dachte nur, dass Sie vermutlich, wenn Sie für Fremde kochen, erst mal was zubereiten, wo Sie sich sicher sind. Das würde ich jedenfalls tun.«
    So gesehen hatte er recht.

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