Alles auf Anfang Marie - Roman
Frage. »Was wissen Sie eigentlich über Nicole Nowakowski?«
»Außer dass sie phlegmatischer ist als ein Igel im Winterschlaf?« Er rührte in seinem Kaffee. »Eigentlich nicht viel, obwohl mir das schon reicht. Sie hat drei Kinder von drei verschiedenen Männern, die wohl alle nicht viel taugen, und ist gerade dabei, dieses Muster mit einem vierten fortzusetzen. Und ich frage mich natürlich, ob das ein Unfall war und ob man nicht nach all diesen Jahren wissen sollte, wie es geht, oder ob sie es ganz praktisch darauf angelegt hat, weil sie sonst natürlich vom Sozialamt so langsam Druck bekommen würde, arbeiten zu gehen.«
»Sie meinen, Sie kriegt dieses Kind, um … äh …«
»Um ein paar Jahre weiter zu Hause bleiben zu können und Stütze zu beziehen, klar. Ich weiß nicht, ob die Gute jemals wirklich berufstätig war. Aber Sie wissen sicher, dass die ARGE irgendwann ihre Kunden auch zu diesen so genannten Ein-Euro-Jobs verpflichten kann.«
Ich dachte an meinen eigenen Besuch bei der Arbeitsagentur. Ich hatte mich dort nicht besonders wohl gefühlt, aber schwanger zu werden, um dem aus dem Weg zu gehen, schien mir doch ein wenig unverhältnismäßig.»Man kann doch nicht am laufenden Band Kinder kriegen, nur um nicht arbeiten zu müssen!«
Hannes schüttelte milde den Kopf. »Wer entscheidet denn, was man kann oder nicht kann? Für Sie ist das unvorstellbar. Sie sehen die Verantwortung und die langfristigen Konsequenzen und wägen den Aufwand ab. Aber es gibt Leute, die machen das anders, Marie. Die hören auf ihre momentane Lust oder Unlust und wählen dann den Weg, der sich gerade als der einfachste anbietet. Mag sein, dass sie später ziemlich überrascht sind über die Folgen, aber dann muss man eben auch wieder schauen, wie man da so durchkommt. Und da ist es natürlich ganz praktisch, wenn so jemand wie Sie daherkommt und Hilfe anbietet.«
»Finden Sie es falsch, dass ich das tue?« Toll, jetzt hatte ich nicht nur meinen eigenen Mann im Nacken, sondern wurde auch noch von jemandem kritisiert, den ich nur flüchtig kannte und mit dem ich eigentlich bloß in Ruhe einen Kaffee trinken wollte.
»Sie sind schon wieder in Ihren Kategorien, Marie. Darum geht es hier nicht. Natürlich ehrt es Sie, dass Sie sich hier einbringen, statt irgendwo nur den Tennisschläger zu schwingen oder Französisch zu lernen.«
Na super, hatte dieser Typ mit den smarten Lacoste-Polos auch noch meine Liste entdeckt? »Worum geht es denn Ihrer Meinung nach?« Vermutlich klang ich ziemlich aggressiv, denn er tat so, als würde er den Kopf einziehen.
»Nicht schlagen bitte!«, sagte er amüsiert. »Hab ich da einen wunden Punkt getroffen?«
»Ich frage mich gerade, warum ich hier sitze und mir von Ihnen erklären lasse, was ich alles verkehrt mache. Eigentlich brauche ich das nicht.« Denn das hatte ich schon zu Hause, aber das musste er nicht wissen, vorallem, wenn man seine etwas schwierige Verbindung zu Henning bedachte. »Sehen Sie, ich bin in diese Situation gestolpert und war einfach erschrocken, was hier los ist. Das kann man doch nicht einfach …«
»Marie, bleiben Sie ganz ruhig«, sagte er gelassen. »Ich will Ihnen nur klarmachen, was hier passiert. Die Frau Nowakowski liegt da oben auf ihrer Couch nicht erst, seitdem sie Probleme mit der Schwangerschaft hat. Die Unordnung existiert, seitdem sie hier eingezogen ist. Ab und zu kommt jemand vorbei und kümmert sich drum – entweder vom Jugendamt oder jetzt Sie. Aber glauben Sie nicht, dass sich alles in Wohlgefallen auflöst, wenn erst mal dieses Baby da ist und die Frau wieder aufstehen kann.«
»Und was soll ich Ihrer Meinung nach tun?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich sagte gerade schon, hier geht es nicht um richtig oder falsch. Einerseits sorgen Sie dafür, dass da punktuell ein bisschen Ordnung geschaffen wird und die Kinder eine regelmäßige Mahlzeit bekommen. Aber die Kehrseite ist eben auch, dass Sie die Frau genau in der Haltung unterstützen, die das Ganze überhaupt möglich macht. Sie nehmen ihr die Verantwortung ab, so dass sie weiter auf der Couch liegen und ihre Soaps sehen kann.«
»Aber ich habe mit ihr gesprochen und eine To-do-Liste erstellt und …« Ich brach ab. Das, was Hannes gerade erläutert hatte, leuchtete mir ein. Es war für Nicole kein Problem, sich meine Reden anzuhören und meinen Vorschlägen zuzustimmen. Denn dahinter stand die Chance, dass ich wiederkommen und letztlich die Arbeit machen würde.
»Man
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