Alles auf Anfang Marie - Roman
Gummistiefel hätte er halt nie reingepackt.«
Eine kluge Maßnahme. Man sagt ja nicht zu Unrecht »Geld stinkt nicht«. Mit Stiefeln hingegen ist das eine andere Sache. »Wissen Sie, ob es hier in der Gegend einen Secondhandshop gibt?«
»Einen Secken was? … Ach, Sie meinen für gebrauchte Sachen. Früher gab es mal einen hinten in der Weidenstraße, aber der hat zugemacht. Sonst wüsste ich nicht.«
Aber ich kannte einen in Bredenscheid, und weil ich ja Zeit hatte, beschloss ich, an diesem Nachmittag mal hinzufahren. Aber zuerst musste ich Nicole mit viel Geduld beibringen, wie man Frikadellen formt und brät. Eigentlich hatte ich vorgehabt, sie auch das Wirsinggemüse selbst kochen zu lassen, aber dann hätte es erst am Abend etwas zu essen gegeben.
Die Kinder waren nicht wirklich begeistert. »Ich dachte, es gibt Hamburger?«, maulte Nuala.
»Das ist so ähnlich«, sagte ich.
»Aber ohne Brötchen und Ketchup«, murrte Gonzalez.
»Das ist eben die Art, wie man das früher immer gegessen hat, bevor es McDonald’s gab.«
»Ich mag lieber McDonald’s«, ließ er mich wissen. »Was ist denn das Grüne?«
»Das ist Wirsing.«
»Schmeckt komisch«, befand er, worauf seine Geschwister es gar nicht erst probieren wollten.
»Na ja«, musste ich zugeben, »meine Kinder mochten das auch nicht so gern, als sie klein waren.«
Großer Fehler. Empört sahen mich drei Kindergesichter an. »Aber wir sollen das essen?«
»Man kann sich daran gewöhnen«, behauptete ich. »Und irgendwann schmeckt es sehr gut. Dann isst man es richtig gern.« Ich sah ihnen an, dass sie mir das nicht glaubten. Lotta und Christoph hatten es auch nicht glauben wollen. Und wenn ich ehrlich war, glaubte Christoph es bis heute nicht. Zumindest was Wirsing anging. Aber das sagte ich natürlich nicht.
»Esst wenigstens die Frikadellen«, sagte Nicole. Jetzt war sie wohl doch ein bisschen stolz, dass sie die gemacht hatte.
»Wann gibt es denn wieder Pizza?«, fragte Kevin. »Morgen?«
»Morgen nicht«, sagte ich. »Da bin ich mit eurer Mutter unterwegs zum Arzt.«
»Und was is mit uns?«
»Für euch werde ich was zu essen vorbereiten«, versprach ich.
»Du könntest Pizza vorbereiten«, schlug Kevin unbeirrt vor. »Und wir backen die dann selber.«
Das wollte ich lieber nicht riskieren. Aber das sagte ich nicht.
Am Nachmittag machte ich mich dann auf den Weg in das Kleiderstübchen. Leider war heute kein Sonderverkauf, wo alles einen Euro kostete, aber so viel teurer waren die Sachen jetzt auch nicht. Das größte Problem war, in dieser Enge das Richtige zu finden.
Frau Göbel selber war nicht da, aber die schwangere Nadja erkannte mich sofort wieder. Sie war mit zwei weiteren Frauen damit beschäftigt, einige Regale aufzuräumen.
»Kann ich Ihnen helfen?«
»Ich suche Kinderschuhe«, sagte ich. »In verschiedenen Größen.«
»Die stehen drüben im Regal«, sagte sie. »Da ist auch so ein Ding, mit dem man die Größen einigermaßen bestimmen kann, wenn sie nicht drinstehen.«
So ein Ding war bitter nötig, denn im Gegensatz zu einem richtigen Schuhgeschäft waren die Schuhe nicht nach Größen sortiert. Dafür war ich überrascht, wie viele es gab, die größtenteils noch ganz gut aussahen. Eigentlich, war mir immer eingeimpft worden, durften Kinder keine Schuhe von anderen übernehmen. Aber mir war auch klar, dass es Nicoles Mittel und sogar meine Großzügigkeit übersteigen würde, wenn ich für drei Kinder neue Schuhe kaufte. Denn mit ein paar billigenStoffschühchen für Nuala war es nicht getan. Meine Suche hatte gezeigt, dass die Fußbekleidung in der Familie Nowakowski sehr dünn gesät war, egal wie viel Plunder sich dort auch sonst angesammelt hatte.
Nach einiger Zeit hatte ich ein Paar schwarze Turnschuhe für Gonzalez, ein Paar blaue Markenturnschuhe für Kevin (so gut wie neu), ein Paar Lederschuhe für Nuala und noch ein paar ganz niedliche Lackschuhe mit einem Blümchen auf der Schnalle. Ich stellte meine Funde auf den Kassentisch. »Einzeln berechnen wir drei Euro pro Paar«, sagte die Frau, die dort heute zuständig war. »Aber wenn Sie mehr als fünf Teile kaufen, kriegen Sie einen Tütenpreis.«
»Was ist denn ein Tütenpreis?«
»Wir staffeln das ein bisschen«, erklärte sie mir. »Eine Tüte mit fünf bis zehn Teilen kostet zehn Euro, eine Tüte mit elf bis zwanzig Teilen kostet zwanzig Euro, und alles darüber dreißig. Wir wollen ja viel loswerden.«
»Wenn das so ist, dann suche ich noch ein
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