Alles auf Anfang Marie - Roman
bisschen«, sagte ich und begab mich wieder in die Tiefen des Geschäfts. Der Sparfuchs in mir riet mir dringend, doch lieber zehn Teile für zehn als vier für zwölf zu kaufen, und außerdem könnte ich Nuala nicht mit gutem Gewissen in den schönen Lederschuhen zum Spielen schicken. Also suchte ich noch ein paar weitere Schuhe für sie, wobei ich auch für Kevin noch welche fand. Aber das Durcheinander im Regal provozierte mich zunehmend.
Immerhin waren die Frauen an anderer Stelle auch mit Aufräumen beschäftigt. Da konnte ich ihnen doch ganz gut ein wenig helfen. »Sehen Sie mal«, sagte ich zu der schwangeren Nadja. »Ich habe jetzt die Kinderschuhe ein bisschen umgeräumt. Wenn man immer einen nach vorn und einen nach hinten dreht, spart man ganz schön viel Platz.«
»Na so was!«, sagte sie erstaunt und rief ihre Kolleginnen herbei.
»Das ist ja praktisch«, sagte die Frau von der Kasse. »Das machen wir auch gleich mit den Erwachsenenschuhen. Haben Sie noch mehr Tipps?«
Ich zögerte ein wenig. Niemand liebt Besserwisser, aber in diesem Laden wüsste ich viel zu verändern. »Sie haben da bestimmt mehr Erfahrung«, sagte ich, »aber vom Kofferpacken weiß ich, dass Sachen mehr Platz brauchen, je öfter sie gefaltet werden. Deshalb dachte ich schon mal, ob man diese Jeansstapel nicht anders…«
»Sie meinen, dass man sie nicht zweimal, sondern nur einmal faltet?«, fragte sie. »Dann müssten wir nur die Regale tauschen, denn diese hier sind dafür nicht tief genug. Aber drüben die T-Shirts , die liegen in zwei Stapeln hintereinander, das ist doch sowieso unpraktisch.«
»Das hat aber Frau Göbel damals so eingeteilt«, sagte ihre Kollegin warnend.
»Ich würde es trotzdem gern versuchen«, sagte die Kassenfrau. »Man kann doch immer was verbessern, oder?«
»Von mir aus«, sagte die Kollegin. »Aber du erklärst das der Frau Göbel.«
»Ich lass einfach Taten sprechen«, beschloss die Kassenfrau. Insgesamt, folgerte ich aus dem Gespräch, hatten hier alle viel Respekt vor Frau Göbel.
Während ich weiter nach Sachen für die Nowakowskis suchte, kam immer mal jemand in den Laden, hauptsächlich Frauen, die entweder für sich selbst stöberten oder für ihre Kinder Sachen suchten, die für die Schule taugten. Eine von ihnen durchsuchte das Fach für Kinderjacken. Ihre Methode war ziemlich einfach. Sie zog einfach alles heraus und legte es auf die Erde. Dann nahm sie ein Teil, das ihr zusagte, und ging wieder. Michschmerzte es, das mitansehen zu müssen, deshalb räumte ich die Jacken rasch wieder ein und nahm für Nuala und Kevin welche mit. Für Gonzalez war das Angebot leider viel spärlicher. Schließlich hatte ich spielend meine Zehn-Euro-Tüte gefüllt und schob – schon fast mit schlechtem Gewissen – meinen Zehn-Euro-Schein über den Tisch.
»Haben Sie schon mal in so einer Einrichtung gearbeitet?«, fragte mich die Frau an der Kasse.
»Noch nie.«
Sie lachte. »Dann sind Sie ein Naturtalent. Hätten Sie nicht Lust, öfter mal vorbeizukommen und uns zu beraten?«
»Das scheint mir doch ein wenig vermessen«, sagte ich und nahm meine Tüte. »Aber ich denke, ich komme bestimmt wieder, wenn es kälter wird und ich einen Überblick darüber habe, was den Kindern fehlt, die ich betreue.«
»Immer gern«, sagte sie freundlich. »Wir haben jeden Nachmittag von drei bis sechs geöffnet. Brauchen Sie vielleicht noch eine Schultüte?«
»Jetzt nicht mehr«, sagte ich. »Wieso?«
»Weil wir welche gebastelt haben. Da kommt gerade Nadja mit den Restbeständen.«
»Na, das hätten Sie mir eher sagen sollen«, sagte ich ein wenig frustriert und sah zu, wie Nadja ein halbes Dutzend bunte Schultüten im Fenster platzierte, die auch nicht hässlicher waren als die, die ich mit so viel Mühe und Angst erworben hatte. Hier würde bestimmt keiner einen Überfall versuchen. Schon weil alle viel zu viel Angst vor Frau Göbel hatten. Hätte ich das mal früher gewusst.
16
Meine Tüte mit Klamotten war der große Hit am nächsten Morgen. Gonzalez war noch zu Hause und zog sofort los, um Nuala zurückzuholen. Ich hatte die Sachen nach Kindern getrennt auf dem Couchtisch drapiert.
»Hier sind Schuhe und ein Sweatshirt für dich«, sagte ich zu Gonzalez.
»Cool«, sagte er und zog sein T-Shirt aus, unter dem – wie konnte es anders sein – das geliebte Schalke-Trikot zum Vorschein kam. Auch mit den Schuhen war er einverstanden, obwohl er auch ein wenig sehnsüchtig zu Kevins Stapel
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