Alles auf Anfang Marie - Roman
einen ganzen Haufen Brötchen geschmiert und die meisten davon den Kindern dagelassen, aber als ich jetzt mit Nicole auf dem Flur des Sozialamts saß, war ich froh, dass ich auch welche für uns mitgenommen hatte. Hungrig verzehrten wir unsere Ration, während wir darauf warteten, dass Herr Möhling aus der Mittagspause zurückkam.
Schließlich erschien ein magenkrank aussehender Mann und schloss das Büro auf. »Frau Nowakowski?«, fragte er.
Wir standen beide auf. Mich hätte schließlich brennend interessiert, wie es um die Details von Nicoles Finanzen stand, aber er machte ziemlich deutlich, dass ich draußen bleiben musste wie ein Hund vor der Metzgerei. Aus Gründen der Diskretion, wie er sagte.
Also setzte ich mich wieder und las ein weiteres Kapitel in meinem Buch, bis Nicole zurückkam und mir seufzend den besagten Gutschein überreichte, als hätte sie den für mich geholt.
»Der macht immer eine Riesenwelle um alles«, klagte sie. »Ich wünschte, ich hätte einen anderen Sachbearbeiter. Der Typ kostet mich den letzten Nerv. Damals die Frau Pomatzke, die war viel netter.«
»Was war denn das Problem? Sie waren ziemlich lange da drin.«
»Ach, es ging mal wieder um diese bekloppte SPFH. Ich hab dem gesagt, dass die Frau völlig inkompetent ist. So eine brauchen wir nicht, die ihre Nase in alles steckt und dann doch nix tut.«
»Aber Sie haben ihm auch erklärt, dass ich nur übergangsweise bei Ihnen bin?«
Sie verzog das Gesicht. »Irgendwie wusste er das schon.«
Wenigstens war das geklärt. »Sollen wir gleich in der Buchhandlung vorbeifahren und die Sachen besorgen, oder möchten Sie erst nach Hause?«
Sie sah mich waidwund an. »Nach Hause«, sagte sie. »Ich bin völlig fertig.«
Weil inzwischen die Sonne schien, entschied ich mich, die Situation im Auto zu entschärfen, indem ich das Dach aufmachte. Ob ich Nicole darauf hinweisen sollte, dass sie mal duschen und sich die strähnigen Haare waschen sollte? Eigentlich tat man das bei erwachsenen Menschen ja nicht. Aber andererseits … Egal, jetzt wehte ein frischer Wind um uns, und nachdem sie sich im Hammerweg die Treppe hochgeschleppt hatte, wickelte sie sich erst mal wieder in ihre Decke und besetzte die Couch.
Kevin und Nuala räumten sie nur ungern, weil sie bislang dort gelegen und irgendwelche Comics gesehen hatten. Jetzt mussten sie auch die Fernbedienung an ihre Mutter abtreten, die sofort auf ihre Lieblings-Soap umschaltete.
Mürrisch zog Nuala davon, immer noch mit den Lackschuhen an den Füßen. Ich rief sie zurück. »Wenn du rausgehst, dann mit den anderen Schuhen«, befahl ich.
»Manno!«, stieß sie hervor, tat es aber dann doch.
»Guck mal!«, sagte Kevin stolz und zeigte mir seineeigenen, Puma-Sportschuh-geschmückten Füße. »Geil, was?«
Ich konnte mir nicht helfen. Vielleicht war ich wirklich schon im Oma-Modus. »Pass aber auf, dass die nicht gleich versaut werden!«
Nicole hatte praktischerweise den Schulsachen-Gutschein bei mir im Wagen liegen lassen. Eigentlich sollte ich es nicht tun, dachte ich. Aber der Gedanke, dass ich sie noch mal aufscheuchen und in mein schönes, bisher durch unerfreuliche Körperausdünstungen wenig behelligtes Auto packen müsste, bereitete mir auch wenig Freude. Also fuhr ich lieber allein in die Buchhandlung und konferierte mit der Verkäuferin darüber, was man für diesen Gutschein neben den vorgeschriebenen Büchern alles bekommen könnte.
Ich war nicht erstaunt, als sie mir zur Qualität riet. »Da haben Sie auf Dauer einfach mehr von«, war ihr Argument. Das sprach also für teure Wachsmalstifte, dreieckige dicke Buntstifte und die stabilere Ausführung diverser anderer Sachen. Natürlich reichte der Gutschein hinten und vorne nicht. Ich schwor mir, dass dies das letzte Mal war, aber natürlich bezahlte ich die Differenz aus eigener Tasche. Es ging um Kevin, einen kleinen Jungen mit blonden Haaren und braunen Augen und so unvergleichlich schlechteren Startbedingungen als damals mein Christoph. Das Schicksal hatte ihn mir vor die Füße geschubst, zusammen mit seiner ganzen chaotischen Familie, und vielleicht war dies eine Art von Ausgleichszahlung dafür, dass es uns immer so gut gegangen war. Mein privater Solidaritätszuschlag sozusagen.
Die Verkäuferin packte alles in eine große Tüte und bot mir dazu noch an, eine neutrale Quittung über »Büromaterial« für die Differenz auszustellen. Die konnte ichaber nicht von der Steuer absetzen wie vielleicht manche
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