Alles auf Anfang: Roman (German Edition)
kümmern, um Gaby eine Schulausbildung zu garantieren. Der Vater des Babys wurde in die Pflicht genommen. Es handelte sich um einen Burschen, der während des Gesprächs zitterte wie Espenlaub und fast heulte, als Gabys Vater, ein intelligenter Mann in leitender Position, ihn anbrüllte, dass die Wände wackelten. Der Vater des Jungen, ein Steiger vom Pütt, wischte sich den Schweiß von der Stirn und seine Frau murmelte immerwährend: »Oh Jottojott!«
Über all dem thronte Herr Schönfeld, moderierte, schlichtete und kümmerte sich um alles.
Gaby machte Abitur, würde sich danach so lange um ihr Kind kümmern, bis es in den Kindergarten kam und anschließend studieren.
Seitdem pflegt sie regelmäßigen Kontakt zu ihrem ‚Retter’, was manchmal nicht ganz unproblematisch ist, da sie unverhohlen für den Dreißigjährigen schwärmt, was Martin mit Unbehagen erfüllt.
Wie Tom von ehemaligen Schulkameraden hörte, sei Lehrer Schönfeld bekannt dafür, sich über Gebühr für die Belange seiner Schüler einzusetzen, eine Eigenart, die er erst in den letzten zwei Jahren entwickelt haben musste. Es ging das Gerücht, er habe versucht, zwei Schüler, deren Eltern Eheprobleme hatten, in Pflege zu nehmen, um sie später zu adoptieren, was nur daran scheiterte, dass er noch unverheiratet war. Seine Lehrerkollegen belustigten sich hinter seinem Rücken, gewisse Schüler nutzten ihn unbarmherzig aus. Man munkelt, für die Summe Geld, die verschiedene Schüler ihm schuldeten, könne er sich einen dreiwöchigen Urlaub in der Südsee leisten. Was davon der Legende und was der Wahrheit entspricht, weiß Tom nicht. Was er weiß, ist, dass Martin Schönfeld einer ist, der allen helfen will.
Das ist seine Obsession.
Er ist einer, der erst gibt und dann fragt. Von Tom darauf angesprochen, hatte Martin einmal gesagt, er wünsche bisweilen, er sei der berühmte Engherzige, einer der wisse, dass man nicht allen helfen könne und deshalb – keinem helfe! Bis dahin hatte Tom nicht gewusst, dass Hilfsbereitschaft anstrengend und einengend sein kann.
Einmal kam Tom in den Sinn, dass Martins Wesensmerkmal sich möglicherweise verfestigt hatte, um die Abkehr von seiner Mutter, Frau Marek, auszugleichen. Wie kann so ein gewissenhafter Mensch, ein überdurchschnittlich engagierter Pädagoge, damit leben, seine eigene Mutter im Stich gelassen zu haben?
Martin blickt auf seine Armbanduhr. »Ich muss noch jemanden anrufen, außerdem ...«, sagt er und zu Tom gewandt: »Für heute ist der Unterricht beendet.«
Gaby zieht eine Schnute. »Immer hat er was zu tun«, schmollt sie und sieht Martin hinterher.
»Er hat heute noch Nachhilfeunterricht für drei Schüler seiner Klasse«, nimmt Tom seinen Freund in Schutz.
»Weiß ich, weiß ich ...«, winkt Gaby ab. »Dauernd sorgt er sich um andere. Sollen die Faulpelze doch schlechte Noten kriegen. Ist es seine Sache, sich darum zu kümmern?«
»War es seine Sache, sich um dich zu kümmern?«, fragt Tom.
»Er lässt sich ausnutzen. So dumm kann man doch nicht sein.«
»Wäre er nicht, wie er ist, hättest du mit deiner Schwangerschaft ...«
»Das geht dich nix an«, zischt Gaby.
»Hast recht, tut’s auch nicht.«
»Ich frag mich sowieso, warum er dir das erzählt hat.«
»Das weiß doch inzwischen die ganze Schule.«
»Und alle halten mich für so eine.«
»Glaub ich nicht.«
»Du auf jeden Fall. Du hältst mich für so eine.«
»Was soll das? Jedes Mal, wenn wir uns treffen, findest du einen Grund, mir den gleichen Quark zu erzählen«, murrt Tom. »Ich denke überhaupt nicht, dass du so eine bist und das weißt du auch und überhaupt solltest du dich nicht immer so zickig anstellen.«
»Zickig? Ich bin doch nicht zickig.«
»Und ob du das bist.«
»Ach, sieh mal einer an. Unser Supermusiker und Superschriftsteller ist mal wieder schlecht gelaunt.«
»Bin ich überhaupt nicht.«
»Bist du doch.«
Superschriftsteller! Da trifft sie einen Nerv. Erst gestern hatte Herr Stern ihm freundlich, aber bestimmt erklärt, dass er noch einen weiten Weg vor sich habe, wenn er ein richtiger Schriftsteller, geschweige denn ein Superschriftsteller werden wolle. Das hatte geschmerzt und – momentan - entmutigt.
»Du bist ja nur sauer, weil du Martin anhimmelst und er nichts von dir will!«, raunzt Tom ungehalten. Sofort wünscht er sich, er hätte den Mund gehalten.
Oben klingelt es an der Haustür.
Die Nachhilfeschüler treffen ein.
Schritte poltern.
Stimmen. Lachen.
»Ich glaub,
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