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Alles auf Anfang

Alles auf Anfang

Titel: Alles auf Anfang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benioff David
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Stelle getötet. Ein Jahr später starb die ältere Schwester des Jungen bei einem Verkehrsunfall.
Leksi glaubte nicht, dass es ein Unfall war; er war überzeugt, dass die anderen Vögel sich verschworen und Rache geübt hatten.
    »Aleksandr!«
    Leksi blickte vom Schnee auf und merkte, dass er weit hinter Nikolai zurückgefallen war. Er eilte vorwärts, wäre fast gestolpert. Das Gewehr brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Als er wieder zehn Meter hinter dem älteren Soldaten war, blieb er stehen und nickte, doch Nikolai forderte ihn mit dem Zeigefinger auf, zu ihm zu kommen. Surchow ging in die Hocke und beobachtete die beiden grinsend.
    »Wer gibt mir Rückendeckung?«, fragte Nikolai, als Leksi sich ihm näherte.
    »Ich. Tut mir leid.«
    »Nein, noch mal, wer gibt mir Rückendeckung?«
    »Ich.«
    Nikolai schüttelte den Kopf und blickte kurz zu Surchow, der die Schultern zuckte. »Niemand gibt mir Rückendeckung«, sagte Nikolai. »Du schaust auf den Schnee, du schaust nach den Hunden, du schaust in den Himmel. Na schön, du bist Künstler, soviel ich weiß. Vielleicht beschäftigst du dich in Gedanken gerade mit einem Gemälde. Das ist durchaus lobenswert. Aber dann verrate mir mal, wer mir, während du an deinem Gemälde arbeitest, eigentlich Rückendeckung gibt?«
    »Niemand.«
    »Ah. Dann haben wir ein Problem. Pass auf, ich gebe Surchow Rückendeckung. Niemand kann Surchow von hinten angreifen, weil ich ihn schütze. Aber wer schützt mich? Während du dein Meisterwerk malst, wer schützt da mich?«
    »Tut mir leid.«

    »Ich will nicht in diesem Scheißland sterben, Aleksandr. Kapiert? Ich weigere mich, hier zu sterben. Du bewachst mich, ich bewache Surchow, und jeder von uns lebt einen Tag länger. Alles klar?«
    »Ja.«
    »Dann gib mir gefälligst Rückendeckung.«
    Erst nachdem sie wieder weitergingen, nachdem Surchow und Nikolai Beatles-Songs zu singen begannen, die Originaltexte durch obszöne Variationen ersetzten, fragte sich Leksi, wer eigentlich ihm Rückendeckung gab.

    Die drei Soldaten machten einen knappen Kilometer unterhalb der Villa halt, am Rande eines dichten Tannenwäldchens. Eine hohe Mauer aus gemörtelten Feldsteinen umgab das Anwesen; nur das Schindeldach und Schornsteine waren vom Standort der Soldaten aus zu sehen. Ein langes schneebedecktes Feld lag zwischen ihnen und dem Haus. Im letzten Sonnenlicht zogen sich die Schatten der hohen Bäume das Feld hinauf.
    Surchow nahm Leksi das Fernglas ab und sah selbst durch. »Von da oben haben sie das ganze Tal im Blick. Kein Rauch aus den Schornsteinen. Aber die wissen, dass wir nach Rauch Ausschau halten.«
    Nikolai hatte eine Plastiktüte mit Tabak und Papier aus Surchows Rucksack geholt; nun lehnte er sich an einen Baumstamm und drehte sich eine Zigarette. Leksi konnte eine anständige Selbstgedrehte zustande bringen, wenn er irgendwo im Warmen saß, das Papier flach auf einer Tischplatte lag. Es erstaunte ihn immer wieder, dass Nikolai sich
überall eine Zigarette drehen konnte, in weniger als einer Minute, ohne auch nur einen Tabakskrümel fallen zu lassen, egal ob bei Wind oder bei Dunkelheit. Nikolai konnte sich eine Zigarette drehen, während er am Steuer eines Wagens über unbefestigte Straßen fuhr und die Schlager im Radio mitsang.
    Er klemmte den fertigen Glimmstängel zwischen die Lippen und stopfte die Plastiktüte wieder in Surchows Rucksack. Leksi gab ihm Feuer, und Nikolai inhalierte so gierig, dass seine stoppeligen Wangen einsanken. Er stieß den Rauch aus und gab die Zigarette an Leksi weiter.
    »Laut Nachrichtendienst war in den letzten drei Nächten kein Licht im Haus«, sagte Nikolai.
    Surchow spuckte aus.
    »Die Nachrichtendienstler würden meinen Schwanz nicht mal finden, wenn sie ihn schon in ihrem Arsch stecken hätten. Scheiß auf sie und ihre Schutzheiligen. Aleschkowski hat mir erzählt, dass ein paar von denen letztes Wochenende mit dem Heli nach Pitsunda geflogen sind, zu den Huren. Wir frieren uns hier die Eier ab, und die gehen ins Puff.«
    »Also«, sagte Nikolai, »schicken sie drei Mann her. In ihren Augen gibt es zwei Möglichkeiten. Erstens: Das Haus ist leer, wir nehmen es ein, sehr gut, wir haben einen prima Beobachtungsposten für das Tal. Zweitens: Da drin ist die halbe Rebellenarmee, wir sind tot, sehr gut. Und plötzlich sind wir relevant. Wir sind Märtyrer. Der richtige Kampf beginnt.«
    »Ich will nicht relevant sein«, sagte Leksi und gab die Zigarette an Surchow weiter. Die älteren Soldaten

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