Alles auf Anfang
schien so hell, dass sie ihre Taschenlampen nicht brauchten. Surchow und Nikolai waren jetzt wie ausgewechselt; seit dem Aufwachen hatten sie kaum etwas gesagt. Sie hatten sich gegenseitig, und dann Leksi, das Gesicht geschwärzt, ihre Uhren eingesteckt, ihre Mützen umgedreht.
Sie erreichten die Feldsteinmauer und folgten ihr zum hinteren Tor. Wenn Wachhunde da gewesen wären, hätten sie längst zu bellen begonnen. Ein gutes Zeichen. Das Gartentor
war nicht abgesperrt, schwang quietschend im Wind hin und her. Ein weiteres gutes Zeichen. Sie schlichen auf das Anwesen. Der parkähnliche Garten war ungepflegt. Neben einem alten Brunnen stand ein weißer Pavillon; das Dach des Pavillons senkte sich unter dem Gewicht des Schnees.
Die großen Fenster des Hauses waren mit Kupfer eingefasst. Nirgends brannte Licht. Die Soldaten gingen per Handzeichen in Position: Surchow näherte sich der Hintertür, während Nikolai und Leksi sich auf den Bauch legten und ihm mit ihren Gewehren Deckung gaben. Surchow blickte kurz zu ihnen, zuckte die Schultern und drehte den Türknopf. Die Tür ging auf.
Im Haus war niemand. Sie befestigten die Taschenlampen an ihren Gewehrläufen und trennten sich, um die beiden Stockwerke und den Keller zu überprüfen, langsam, ganz langsam, immer auf der Hut vor dem silbernen Schimmer eines Stolperdrahts, dem matten Grau einer Tellermine. Sie spähten unter die Betten, in die Schränke, in die Duschkabinen, die Weinregale im Keller, den Spülkasten der modernen Toilette. Als Leksi den Kühlschrank öffnete, stockte ihm der Atem. Das Licht ging an.
»Strom«, flüsterte er. Er konnte es nicht glauben. Er ging zum Lichtschalter und knipste ihn an. Die Küche erstrahlte, der gelb geflieste Boden, die Holzflächen, der große schwarze Herd. Surchow kam hereingestürzt, und seine Stiefel hallten auf den Fliesen wider. Er schaltete das Licht aus und gab Leksi eine Ohrfeige.
»Idiot«, sagte er.
Als die Durchsuchung abgeschlossen war, funkte Nikolai ihrer Basis. Er ließ sich kurz Anweisungen geben, nickte ungehalten, beendete das Gespräch und sah zu den beiden anderen hoch, die sich in der Bibliothek um ihn versammelt hatten. »Wir sollen hierbleiben und warten.«
Die Wände bestanden aus Bücherregalen, vollgestopft mit mehr Büchern, als eigentlich vorgesehen waren, senkrechte Bücherstapel auf waagrechten Bücherreihen. Bücher waren in den Ecken aufgeschichtet, Bücher lagen auf dem Ledersofa herum, Bücher lehnten bedenklich schief auf dem marmornen Kaminsims.
Leksis Gesicht war noch immer vor Verlegenheit gerötet. Er wusste, dass er die Ohrfeige verdient hatte, dass er unüberlegt gehandelt hatte, aber er war trotzdem stinksauer. Er stellte sich vor, dass Surchow so seine Freundinnen schlug, wenn er sie dabei erwischte, dass sie Geld stahlen, und es fuchste Leksi, so respektlos behandelt zu werden, als wäre er eines Faustschlags nicht würdig.
Nikolai beobachtete ihn. »Hör mal«, sagte er, »du weißt schon, warum Surchow wütend war?«
»Ja.«
»Hast du den Kühlschrank überprüft, bevor du ihn aufgemacht hast?«, fragte Nikolai. »Hast du überprüft, ober präpariert ist? Und dann knipst du auch noch das Licht an! Jetzt weiß das ganze Tal, dass wir hier sind. Du musst besser aufpassen. Wenn du nicht aufpasst, gehst du irgendwann drauf, was mir egal sein kann, aber wir gehen mit dir drauf, und das ist mir nicht egal.«
Surchow lächelte. »Sag, dass es dir leidtut, dann entschuldige ich mich auch. Komm schon. Gib mir die Hand.«
Leksi konnte nie lange jemandem böse sein. Er streckte die Hand aus und sagte: »Es tut mir leid.«
»Blödmann«, sagte Surchow, ohne Leksis Hand zu beachten. Er und Nikolai lachten und verließen die Bibliothek.
In einem blau gekachelten Badezimmer wuschen sie sich die Farbe vom Gesicht, benutzten dazu Seifen, die wie Muscheln geformt waren, und trockneten sich mit grünen Handtüchern ab. Danach suchten sie in den Räumen nach Beute. Leksi nahm sich das obere Stockwerk vor, froh, ein Weilchen alleine zu sein, und richtete seine Taschenlampe auf alles, was ihm interessant erschien. In einem prächtigen Raum, in dem seiner Vermutung nach früher der Hausherr schlief, betrachtete er staunend das Bett. Es war das größte Bett, das er je gesehen hatte. Er und sein älterer Bruder hatten zusammen in einem Bett geschlafen, das nicht einmal halb so breit war wie dieses, und zwar bis sein Bruder heiratete.
Auf den Nachttischen standen blaue
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