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Alles auf Anfang

Alles auf Anfang

Titel: Alles auf Anfang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benioff David
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sein Auto wäre, würde er mich liebend gern damit durch die Stadt düsen und wie wild hupen lassen, wenn wir einem Mädchen begegneten, aber so kam es überhaupt nicht infrage, auf gar keinen Fall, dass ich den Eldorado seines Vaters fuhr.
    Ich lächelte und nickte und streckte die Hand nach den Schlüsseln aus.
    »Kapier’s doch, Zabrocki«, sagte Tommy kopfschüttelnd und »Ich kann nicht, Mann« und »Es ist doch nicht meiner « und zuletzt: »Ein Mal um den Block. Langsam.«
    Zum ersten Mal saß ich in einem Auto, bei dem ich das Gefühl hatte, als wäre es für Menschen meiner Körpergröße gebaut. Ich hatte Platz, um die Beine auszustrecken, und das
Lenkrad klemmte mir nicht den Brustkorb ein. Das Verdeck war heruntergeklappt, und ich hatte nichts als freien Himmel über mir.
    Tommy stieg ein und sagte: »Du weißt, wie man mit Gangschaltung fährt?«
    »Klar«, sagte ich und drehte den Zündschlüssel herum.
    »Die Kupplung, Zabrocki. Die Kupplung treten.«
    An der Ecke Hudson und Blair, wo wir an einer roten Ampel halten mussten, sagte Tommy: »Du ruinierst das Getriebe.«
    »Vielleicht fährst doch besser du«, sagte ich und machte die Fahrertür auf. Tommy nickte erleichtert und stieg aus. Statt aufzustehen, knallte ich die Tür zu und gab Gas. Der Motor heulte auf, aber der Wagen rührte sich nicht von der Stelle. Tommy stierte mich an.
    »Was machst du denn da?«
    Ich erinnerte mich schließlich, dass ich den ersten Gang einlegen musste, und der Eldorado schoss über die Kreuzung, obwohl Rot war. Tommy Byrnes Jr. stand regungslos in der Blair Street auf dem Fußgängerüberweg. Ich verfolgte im Rückspiegel, wie er immer kleiner wurde. Ich dachte mir, ich fahre rüber in den Schnellimbiss, hole mir ein dreistöckiges Eier-Sandwich und bin wieder in der Schule, bevor die zweite Stunde beginnt, aber nachdem ich sechs Blocks gefahren war, stand fest, dass für mich der Unterricht heute ausfiel. Der Eldorado war frisch gewaschen und gewachst, der Tank war voll, in der Tasche meiner Jeans steckte die Kreditkarte meines Vaters - die er mir ausdrücklich zu dem Zweck geliehen hatte, am Nachmittag einen neuen Rasenmäher zu kaufen -, und die Sonne hatte den Frühnebel bereits aufgelöst.
Es war Mai, die Tage waren lang, ich hatte einen Biologietest in der dritten Stunde und ich konnte mir nie den Unterschied zwischen Meiose und Mitose merken.
    Ich wusste, dass Tommy nicht die Polizei rufen würde. Er ging bestimmt davon aus, dass ich hämisch grinsend in die Schule zurückkam, ihm die Schlüssel zuwerfen und mich darüber lustig machen würde, wie ich ihn zum Narren gehalten hatte. Er wollte bestimmt nicht, dass sein Vater dahinterkam, dass er den Eldorado einem Fahrschüler geliehen hatte, und darum würde er zurück zum Parkplatz der Schule gehen und auf mich warten.
    Diese Geschichte lässt mich wie ein Arschloch erscheinen; dessen bin ich mir bewusst. Ich will die Sache nicht auf meine Jugend schieben. Ich wusste ganz genau, wie elend Tommy zumute sein musste, ich wusste, dass ich ihn aufs Kreuz gelegt hatte, das alles wusste ich, und es war mir egal. Es war ein herrlicher Frühlingstag; ich fuhr ein Cabrio mit Heckflossen; als ich das Kassettendeck anstellte, hörte ich Joe Strummers Gitarren-Licks. Es gibt Tage, da muss man einfach über die Stränge schlagen.
    Draußen vor der Stadt nahm ich die Route 202 und fuhr nach Westen. Kalifornien lag in dieser Richtung, und obwohl ich nie viel über Kalifornien nachgedacht hatte, erschien es mir als das natürliche Reiseziel für einen jungen Mann mit einem gestohlenen Eldorado. Das Geheimnis der Gangschaltung war, wie ich herausfand, immer die Kupplung zu treten. Die Kupplung zu treten, wenn man den Wagen startete, wenn man schaltete, wenn man abbiegen wollte. Ganz einfach. Ich brauchte nur noch ein Mädchen, das meinen Schenkel streichelte und navigierte.

    Ich hielt mich an die Geschwindigkeitsbegrenzung und zwinkerte den hübschen jungen Müttern zu, die mich in ihren Kombis überholten. Im Handschuhfach entdeckte ich eine Pilotensonnenbrille. Sie war mir zu klein, aber ich setzte sie trotzdem auf.
    Nachdem ich mein letztes Kleingeld für die Maut hingelegt hatte, überquerte ich den Delaware nach Pennsylvania und hielt in New Hope an, um mir bei Thomas Sweet’s ein Eis zu kaufen. Sie waren nicht erfreut, dass ich es mit der Kreditkarte bezahlte, erklärten mir, das ginge erst ab zehn Dollar, blablabla, aber ich hatte die Waffeltüte schon in der Hand und

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