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Alles auf eine Karte

Titel: Alles auf eine Karte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Murnane
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trainieren sollte.
    Um fünf nach acht betrat ich das Kilkenny. Jack O’Reilly, der Besitzer, stand hinter der Bar. Als er mich sah, schenkte er mir ein strahlendes Lächeln, stellte das Glas ab, das er gerade poliert hatte und deutete auf einen leeren Barhocker. »Hallo, Waverly! Lange nicht gesehen. Setz dich.«
    Ich nahm Platz. »Hallo, Jack. Ich weiß, ich war eine furchtbar schlechte Kundin in letzter Zeit, aber ich verspreche hoch und heilig, dass ich im neuen Jahr wieder öfter kommen werde. McKenna hat erzählt, dass nächstes Wochenende wieder deine alljährliche Weihnachtsparty steigt?«
    »Ja, in genau einer Woche ist es so weit. Ich hoffe doch, du bist dabei.« Jack lebt seit Ewigkeiten in San Francisco, aber er hat es geschafft, sich seinen unüberhörbaren irischen Akzent zu bewahren, so dass ich mich zuweilen richtig konzentrieren muss, um ihn zu verstehen. Da wird »fuck« zu »feck« und »you« zu »ye«, und »shit« spricht er »scheit« aus.
    »Aber klar doch, Jack. Das lass ich mir auf keinen Fall entgehen.«
    Er klatschte mit den flachen Händen auf den Tresen und lächelte. »Das hör ich gern. So, schöne Frau, was darf’s denn sein?«
    »Ehrlich gesagt warte ich auf jemanden, also …«
    Im selben Moment legte mir jemand eine Hand auf die Schulter.
    »Sie wartet auf mich, und da ich jetzt hier bin, könnten Sie uns zum Beispiel zwei Bierchen bringen.«
    Ich holte tief Luft und drehte mich um.
    Mist!
    Es war Darren Anderson, der Darren, den ich geküsst hatte. Und offenbar hatte meine Zurechnungsfähigkeit am bewussten Abend durch die vielen Margaritas ziemlich gelitten, denn attraktiv konnte man ihn nun wirklich nicht nennen.
    »Hi, Darren, wie geht’s? Nimm doch Platz.« Ich deutete auf den Barhocker neben mir und warf Jack, der Darren unverhohlen musterte, einen warnenden Blick zu. Jack hatte mich seit einer Ewigkeit mit keinem anderen Mann als Aaron gesehen, und die Neugier war ihm deutlich anzusehen.
    Darren setzte sich und lächelte. »Du siehst toll aus, Waverly. Hübsche Bluse.«
    Seufz. Das würde ein langer Abend werden.
    *
    Drei Stunden später betrat ich erschöpft meine Wohnung und lehnte mich kopfschüttelnd mit dem Rücken an die Eingangstür. Gott sei Dank war es vorbei. Der falsche Darren war seiner mangelnden Attraktivität zum Trotz zwar nicht unsympathisch, weshalb ich mich wirklich bemüht hatte, ihm eine Chance zu geben, aber leider hatte er mich zu Tode gelangweilt. Im Kilkenny hatte er so viel von seiner Arbeit erzählt, dass ich beinahe über meinem Bier eingeschlafen wäre. Er hatte endlos über Steueranrechnungsverfahren, Steuersparmodelle und Lücken in der Steuergesetzgebung gelabert, ohne zu bemerken, dass ich mich a) nicht damit auskenne und b) nicht die Bohne dafür interessiere. Mir ist völlig schleierhaft, wie jemand das Thema Steuern derart faszinierend finden kann. Beim Essen hatte er dann von dem Haus erzählt, das er zu kaufen gedachte, und mir einen endlosen Vortrag über Immobilien und Finanzierungspläne gehalten, der so vor Fachchinesisch strotzte, dass ich, die ich wohl mein Leben lang nur zur Miete leben werde, erneut kein Wort verstand. Über mich redeten wir so gut wie gar nicht, aber irgendwann war mir das auch egal. Sobald wir fertig gegessen hatten, sah ich zu, dass ich nach Hause kam.
    Ich zog meinen Pyjama an, ging in die Küche und öffnete den Kühlschrank. Gähnende Leere. Ich schlurfte in mein Arbeitszimmer, setzte mich vor den Computer und öffnete die Datei mit meinen Süßen Grüßen. Ich hatte reichlich Stoff für neue Karten.
    Vorderseite: Du bereust es, dass du in nicht mehr ganz nüchternem Zustand jemandem deine Telefonnummer gegeben hast?
    Innenseite: Hör auf zu jammern, Süße. Sei froh, wenn dich überhaupt mal jemand anruft, der nicht in der Abo-Abteilung der New York Times arbeitet.
    Vorderseite: Du hast dein Herz an einen Mann verloren, den du nie wiedersehen wirst?
    Innenseite: Sieh es positiv, Süße: Dann kann er es dir wenigstens nicht brechen.
    Vorderseite: Du findest, es gibt nichts Schlimmeres als ein richtiges Horrordate?
    Innenseite: Oh, doch, Süße. Stell dir vor, du kommst nach einem Horrordate nach Hause und stellst fest, dass du kein Eis mehr im Tiefkühlfach hast.
    Falls ich je meinen Job bei K.A. Markenting verlieren sollte, könnte ich ja als Werbetexterin für die Eiscremeindustrie arbeiten.

 

    Du hättest gern eine große Familie wie aus einer kitschigen Fernsehserie?
    Sei nicht traurig, Süße –

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