Alles aus Liebe: Roman (German Edition)
vielleicht doch?
»Anstrengend?« Patrick kratzte sich seitlich am Kinn und blickte stirnrunzelnd zu den Sternen hinauf. »Und … warum genau ist es so anstrengend?«
Er war auf respektvolle Weise verdutzt.
»Wahrscheinlich, weil meine Anspannung während einer Sitzung nie nachlassen darf«, antwortete Ellen. »Ich muss mich hundertprozentig auf den Patienten konzentrieren. Ich arbeite nicht mit vorbereiteten Konzepten. Jede Induktion ist auf den jeweiligen Patienten zugeschnitten und …«
»Induktion?«
»Die Methode, die ich benutze, um den Patienten in Hypnose zu versetzen. Zum Beispiel soll er sich vorstellen, wie er eine Treppe hinuntergeht, oder er soll sich nach und nach entspannen. Ich wähle diese Methode je nach dem Hintergrund oder den Interessen des Patienten, also, ob er der visuelle oder eher der analytische Typ ist oder so.«
»Hast du auch schwierige Patienten?« Patrick drehte sich auf die Seite und stützte seinen Kopf in die Handfläche. »Solche, die schwer zu hypnotisieren sind?«
»Praktisch jeder kann bis zu einem gewissen Grad hypnotisiert werden«, entgegnete Ellen. »Aber ich schätze, manche eignen sich besser dafür als andere, weil sie mehr Fantasie haben und die Fähigkeit besitzen, sich total zu konzentrieren und sich etwas bildlich vorzustellen.«
»Hm«, machte Patrick. »Ob ich mich wohl dafür eignen würde?«
»Wir können einen kleinen Test machen, um deine Beeinflussbarkeit auszuloten«, schlug Ellen belustigt vor und kniete sich hin. Jon hätte sie so etwas niemals vorgeschlagen.
Patrick schaute zu ihr auf. »Du meinst, den Grad meiner Leichtgläubigkeit.«
»Nein, nein, bloß eine kleine Übung, um zu sehen, wie stark deine Fantasie ist. Keine Sorge, nichts Abgedrehtes. Du hast es vielleicht selbst schon mal ausprobiert, mit Kunden oder so.«
»Na schön.« Patrick kniete sich ebenfalls hin, mit dem Gesicht zu ihr, die Schultern tapfer gestrafft. Der Duft seines Rasierwassers war ihr zwar mittlerweile vertraut, aber immer noch so neu, dass sie ihn erregend fand. »Soll ich die Augen zumachen?«
»Nein. Verschränk die Hände, so, siehst du?«
Sie tat es und streckte dann zwei einander gegenüberliegende Finger aus. Patrick folgte ihrem Beispiel. Er sah Ellen direkt in die Augen. Der Augenblick hatte etwas sexuell Reizvolles.
»Und jetzt stell dir vor, dass deine Fingerspitzen von einer starken magnetischen Kraft zueinander hingezogen werden. Du kämpfst dagegen an, aber diese Kraft ist stärker. Sieh genau hin. Die Kraft wird stärker und stärker. Sie ist zu stark – und schon ist es passiert.«
Patricks Fingerspitzen berührten sich.
»Siehst du? Dein Unterbewusstsein hat geglaubt, die magnetische Kraft sei tatsächlich vorhanden.«
Patrick schaute seine Fingerspitzen an, die immer noch aneinandergepresst waren. »Ja, sieht so aus. Das heißt, na ja, ich weiß nicht. Es hat sich zwar real angefühlt, aber doch nur, weil ich mir von dir etwas habe suggerieren lassen.«
Ellen lächelte. »Richtig. Jede Form von Hypnose ist Selbsthypnose und keine Zauberei.«
»Mach noch einen Versuch.«
»Na schön. Mach diesmal die Augen zu und streck die Arme nach vorne aus.«
Patrick tat es. Ellen betrachtete versonnen sein vom Mond erhelltes Gesicht.
»Hallo?«, sagte er.
»Entschuldige.« Ellen riss sich von seinem Anblick los. »Gut. Stell dir vor, ich binde dir einen riesigen Heliumballon an dein rechtes Handgelenk. Der Ballon zieht deinen Arm nach oben.Spürst du, wie er an deinem Handgelenk zerrt? Und jetzt drücke ich dir einen Eimer in die linke Hand. Der Eimer ist sehr schwer, weil er mit nassem Sand vom Strand gefüllt ist.«
Patricks rechter Arm hob sich, während der linke sich prompt senkte. Entweder er tat das nur Ellen zuliebe oder er war in der Tat ein ausgezeichneter Proband.
»Mach die Augen auf«, forderte sie ihn auf.
Patrick öffnete die Augen und sah seine Arme an.
»Ha!« Er legte seine Arme um Ellens Taille und senkte den Kopf, um sie zu küssen, hielt dann aber plötzlich inne und fuhr herum.
»Was hast du denn?«, fragte sie erschrocken.
»Entschuldige, ich dachte, ich hätte etwas gehört. Ich dachte, es wäre sie.«
Inzwischen war Ellen klar, wer mit »sie« gemeint war. Sie suchte mit den Augen die düsteren Schatten unter der Brücke nach jemandem ab, der sich dort vielleicht versteckt hatte, und empfand gleichzeitig ein prickelndes Gefühl, einen wohligen Adrenalinstoß bei dem Gedanken daran, dass Patricks Stalkerin sie
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