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Alles aus Liebe: Roman (German Edition)

Alles aus Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Alles aus Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Moriarty
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heimlich beobachten könnte.
    »Du hast sie heute Abend aber nicht gesehen, oder?«, fragte sie. Als sie neulich abends im Kino und dann essen gewesen waren, hatte Patrick erst erwähnt, dass er Saskia gesehen habe, als sie einen Brief von ihr unter dem Scheibenwischer seines Autos gefunden hatten.
    Patrick, die Augen leicht zusammengekniffen, blickte sich um. Nach ein paar Sekunden setzte er sich wieder hin.
    »Nein, keine Spur von ihr. Scheint, als würde sie uns heute Abend eine Verschnaufpause gönnen.« Er legte einen Arm um Ellen. »Tut mir leid, aber manchmal macht mich das richtig nervös.«
    »Kann ich mir vorstellen«, erwiderte Ellen mitfühlend.
    Dort drüben, bei dem Pfeiler, bewegte sich da etwas? Nein. Nur eine optische Täuschung, verdammt.
    Patrick wechselte das Thema. »In deinem Beruf dreht sich also alles um die Kraft des Geistes.«
    »Richtig. Die Kraft des Unterbewussten, besser gesagt.«
    »Versteh mich nicht falsch, ich glaube schon daran«, begann Patrick.
    Jetzt kommt’s. Ellens Magen verkrampfte sich.
    »Aber es gibt Grenzen, nicht wahr?«
    »Wie meinst du das?«, fragte Ellen.
    Er ist nicht Jon, ermahnte sie sich im Stillen. Er äußert lediglich eine Meinung. Also bleib locker.
    »Na ja, ich meine, man kann nicht alles damit heilen. Als Colleen, meine verstorbene Frau, krank wurde, rieten ihr alle, positiv zu denken. Als ob sie den Krebs einfach wegdenken könnte. Nach ihrem Tod sah ich im Fernsehen eine Frau, die sagte: ›Ich wollte mich auf keinen Fall vom Krebs besiegen lassen. Ich hatte zwei kleine Kinder, wissen Sie. Ich durfte einfach nicht sterben.‹ Das hat mich rasend gemacht. Als ob Colleen selbst schuld daran gewesen wäre, dass sie starb. Als ob sie sich nicht genug bemüht hätte.«
    Überleg dir genau, was du sagst, dachte Ellen. Sie machte den Mund auf und schloss ihn wieder.
    Patrick legte ihr seine Hand aufs Knie. »Wo wir gerade davon sprechen – ich möchte nicht, dass du denkst, du musst mich mit Samthandschuhen anfassen, wenn die Rede auf meine Frau kommt. Es macht mir nichts aus. Ich verspreche, ich werde nicht auf dich losgehen, nur weil du irgendetwas über meine Frau sagst.«
    Hmm, dachte Ellen. »Meine Mutter ist praktische Ärztin, weißt du, und deshalb …«
    Und deshalb was? Deshalb besitze ich so etwas wie medizinische Glaubwürdigkeit? Weil meine Mutter Ärztin ist? Sie glaubt ja auch nicht an das, was ich tue.
    Sie begann noch einmal von vorn. »Ich habe schon todkranke Patienten zur Schmerzlinderung oder zum Abbau von Stress behandelt, aber ich würde ihnen nie, niemals versprechen, dass ich sie heilen kann.«
    »Das wollte ich damit auch nicht andeuten.« Patrick drückte ihr Knie.
    »Das weiß ich doch.« Ellen legte ihre Hand auf seine und fragte sich, ob er in diesem Augenblick das Gesicht seiner Frau vor sich sah.
    Sie glaubte fest daran, dass der Verstand über Kräfte verfügte, die wahre Wunder vollbringen konnten, wenn man sie nur aktivierte. Doch das sagte sie ihm nicht.
    Bring mir den empirischen Beweis, hörte sie Jon in ihrem Kopf sagen.
    Eine Zeit lang schwiegen sie beide. Von der anderen Seite des Hafens dröhnte das Signalhorn einer Fähre herüber. Plötzlich näherten sich Schritte von hinten. Sie drehten sich beide um und sahen eine Frau in einem dunklen Hosenanzug und weißen Laufschuhen den Weg herunter auf sie zukommen.
    »Ist das …«, begann Ellen.
    »Nein«, sagte Patrick, als die Frau in das Licht einer Straßenlaterne trat. Sein Gesicht entspannte sich.
    Ein neuerliches Schweigen entstand. Ellen dachte an ihre Zeit mit Jon, wie viel von sich selbst sie im Lauf der Jahre aufgegeben hatte. Falls diese neue Beziehung funktionieren sollte, musste sie alle Türen weit aufreißen! Licht hereinlassen! Luft! Und … Okay, okay, Ellen, das reicht jetzt mit der Hausmetapher.
    »Ich liebe meinen Beruf wirklich«, sagte sie. In ihrer Stimme schwang immer noch dieser leicht aggressive Unterton mit. Sie machte eine ganz bewusste Anstrengung, ihn auszulöschen, einfach nur zu sein . »Und ich bin ziemlich gut.«
    Patrick warf ihr einen belustigten Seitenblick zu. »Du bist also die Königin der Hypnotherapeuten?«
    »Ganz recht, die bin ich.«
    »So ein Zufall. Ich bin nämlich der König der Vermessungsingenieure.«
    »Ehrlich?«
    Patrick seufzte. »Nein, eigentlich nicht. Ich bin eher der rückständigste aller Vermessungsingenieure.«
    »Wieso das?«
    »Ich mag diese ganzen neumodischen Arbeitsmethoden nicht. Ich zeichne immer noch

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