Alles aus Liebe: Roman (German Edition)
Laune.
»Warst du auf ihrer Hochzeit?«, fragte sie unvermittelt.
Anne sah sie verwirrt an. »Welche Hochzeit meinst du?«
»Seine. Davids und Janes Hochzeit.«
»Ach so.« Ihre Mutter hatte wieder ihre normale Haltung eingenommen, und ihre Stimme war um einige Dezibel leiser geworden. »Ja, ich war da. Zusammen mit Mel und Pip. Wir waren alle in der gleichen Clique. Ein grauenvoller Tag! Mir war fürchterlich schlecht.«
»Vor Schuldgefühlen?«
»Nein, weil ich im dritten Monat mit dir schwanger war.«
»O Mum !«
Man stelle sich vor, die arme Braut hätte gewusst, dass einer der weiblichen Hochzeitsgäste ein Kind von ihrem brandneuen Ehemann erwartete!
»Warum tust du so überrascht?« Anne sah sie verwundert an. »Du hast doch gewusst, dass er mit einer anderen verlobt war.«
»Ja, du hast recht«, räumte Ellen ein. »Entschuldige. Ich hätte nur nicht gedacht, dass du auf ihrer Hochzeit warst.«
Sie wusste, was sie tat: Sie identifizierte sich übermäßig mit der Verlobten. Der Grund dafür war, dass sie unbewusst – nein, eigentlich ganz bewusst – fürchtete, möglicherweise einen Mann zu heiraten, der immer noch eine andere liebte, auch wenn jene andere tot war.
Sie sah ihre Mutter an. »Hast du je daran gedacht, ihm zu sagen, dass du ein Kind erwartest?«
»Nein, eigentlich nicht. Ich habe mir ja selbst nicht eingestanden, wie viel er mir bedeutete. Um in deiner Sprache zu sprechen: Ich habe meine Gefühle unterdrückt. Ich spielte die taffe Feministin, die nur ein Kind wollte, aber keinen Mann.«
Ich fand es gut, als du die taffe Feministin warst, dachte Ellen. Ich fand es gut, dass du so anders warst als ich. Das hat mich mehr zu dem gemacht, was ich bin, zu Ellen.
»Ich dachte, du würdest das alles furchtbar romantisch finden«, fuhr Anne fort. »Ich dachte, das sei genau deine Wellenlänge. Ellen wird entzückt sein, habe ich zu Pip und Mel gesagt. Aber du bist nur negativ! Meine Tochter, Miss Optimismus! Miss Ich-kann-mich-in-die-ganze-Welt-hineinversetzen! Sogar in die verrückte Exfreundin und Stalkerin deines Verlobten! Wie wär’s denn, wenn du dich ein klein wenig mit deiner Mutter freuen würdest?«
»Meine Hormone«, begann Ellen zögernd.
»Oh, ich bitte dich! Komm mir bloß nicht mit deinen Hormonen!«
»Also gut.« Und plötzlich wusste Ellen, welches die richtigen Worte waren. Ihre Mutter hatte sie gerade einem neuen Mann vorgestellt. »Er ist ganz reizend. David, meine ich. Charmant. Gut aussehend. Er gefällt mir. Ich mag ihn.« Was nicht gelogen war.
Ihre Mutter strahlte. Als hätte man eine Glühbirne angeknipst. »Ja, nicht wahr?«
Dann hatten sie eine halbe Stunde lang Davids positive Eigenschaften mit jenen all der anderen Männer in Annes Leben verglichen.
»Keiner von diesen armen Kerlen hatte jemals eine echte Chance«, sagte ihre Mutter. »Das ist mir jetzt klar. Wie konnten sie auch, wenn ich immer noch in deinen Vater verliebt war? Ich habe das unbewusst verdrängt, nicht wahr? Ich hätte mich von dir hypnotisieren lassen sollen! Wir hätten an meinen Problemen arbeiten können.«
»Als ob das jemals passieren würde«, bemerkte Ellen trocken. »Nicht in einer Million Jahren!«
Das boshafte Funkeln in den Augen ihrer Mutter, als sie von ihren »Problemen« gesprochen hatte, war seltsam tröstend gewesen. Ellen hätte es definitiv nicht verkraftet, wenn Anne sich plötzlich voller Respekt über die Hypnotherapie geäußert hätte.
Ellen fuhr die Einfahrt ihres Hauses hinauf und sah, dass drinnen alle Lichter brannten. Sie würde nicht im Dunkeln am Türschloss herumfummeln müssen. Die vordere Veranda war schon zu Lebzeiten ihrer Großeltern marode gewesen, auch das Außenlicht funktionierte nicht, aber wie so viele andere Dinge rings um das Haus hatte Patrick still und ohne viel Federlesens alles in der ersten Woche nach seinem Einzug repariert.
Ellen lachte laut heraus, als sie hinter einem Fenster Patrick und Jack vorbeiflitzen sah, beide wild mit den Armen fuchtelnd. Wir sind zu Hause, sagte sie zu ihrem Baby. Dein Dad und dein großer Bruder sind anscheinend noch auf.
Sie legte beide Hände auf ihren Bauch. Wie eine Botschaft aus der Zukunft spürte sie plötzlich eine wunderbar schmerzhafte, heiße, kribbelnde Hitze in ihren Brüsten. Ellen empfand es als Offenbarung, dass ihr Körper zu derart neuen Empfindungen imstande war.
»Hi, du da drinnen«, sagte sie laut. »Das tut irgendwie weh. Aber das macht nichts, kein Problem. Ruh dich nur
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