Alles aus Liebe: Roman (German Edition)
Fehler. Ich habe noch nie viel Alkohol vertragen.
Ellen träumte.
Ihre Träume waren lebhaft und endlos lang und kräftezehrend. Sie wusste, dass sie träumte, und sie versuchte immer wieder aufzuwachen, um dem Traum zu entkommen. Manchmal gelang es ihr. Dann fand sie sich in der Wirklichkeit ihres dunklen Schlafzimmers wieder, drehte sich auf die andere Seite, um ihr Kissen zurechtzudrücken, stieß Patrick an, damit er aufhörte zu schnarchen. Doch ehe sie sich versah, war sie schon wieder eingeschlafen und stürzte kopfüber in einen Abgrund wirbelnder Gedanken und Gesichter und Geräusche.
Ihre Mutter und ihre Patentanten liefen nackt einen Strand entlang und lachten dabei wie Schulmädchen, auf eine Art und Weise, dass Ellen sich immer wie das fünfte Rad am Wagen vorkam.
»Die geben doch bloß an«, sagte sie zu ihrem Vater, der am Strand n eben ihr saß, glücklicherweise vollständig angezogen, in Anzug und Krawatte. Er hatte einen Spritzer Soße von seinem marokkanischen Hühnchen-Wrap an der Lippe.
Ellen sagte: »Die Beziehung eines Mädchens zu seinem Vater prägt alle künftigen Beziehungen zu Männern.« Sie war ganz stolz, so als hätte sie eine unglaublich scharfsinnige, ironische, geistreiche Bemerkung gemacht.
Ihr Vater las jetzt die Zeitung. Er warf Ellen einen kurzen Blick zu, seine Miene spiegelte unverhohlenen Abscheu wider. »In diesem Artikel geht es um dich.«
»Es stimmt nicht, was sie über mich schreiben«, erwiderte Ellen. Sie schämte sich entsetzlich und fühlte sich zutiefst verletzt.
»Doch, es stimmt«, widersprach ein Mädchen, das vor Ellen saß und mit einem gelben Spaten eine Sandburg in Form klopfte.
»Colleen!«, rief Ellen aus. Patricks Exfrau! Sie würde über alle Maßen nett zu ihr sein, weil sie nun einmal so ein Mensch war. »Wie geht es Ihnen?«
Sie überlegte, welches Gesprächsthema Colleen interessieren könnte. »Ich habe gehört, Sie haben Ihr Brautkleid selbst genäht. Sie müssen ja unglaublich talentiert sein!«
»Sei nicht so herablassend«, sagte Julia und hob den Kopf. Sie lag auf einem Handtuch auf dem Bauch in der Sonne.
»Sie hätte nicht schwanger werden dürfen«, sagte Colleen zu Julia. »Das war unmoralisch von ihr.«
»Kann sein.« Julia gähnte. »Aber sie meint es ja nur gut.«
»Es war unmoralisch, weil er mich immer noch liebt«, fügte Colleen selbstgefällig hinzu.
»Aber Sie sind doch tot!«, schrie Ellen, weil es ihr plötzlich wieder eingefallen war. Wie konnte diese Person ihr ihre Schwangerschaft vorwerfen, wo sie doch tot war?
»Sie sind sehr hübsch«, sagte ihr Vater zu Colleen.
Colleen neigte kokett den Kopf. »Vielen Dank, David.«
»Nun, ihr müsst schon entschuldigen, dass ich schwanger geworden bin«, jammerte Ellen. Sie war eifersüchtig, weil ihr Vater Colleen ein K ompliment gemacht hatte. Sie wusste, dass sie sich kindisch benahm, aber sie konnte einfach nicht anders. Sie griff mit beiden Händen in den Sand und warf ihn sich ins Gesicht, immer wieder. »Wie kann ich es wiedergutmachen? Sagt mir, wie?«
»Ellen! Hör auf! Du machst dich ja lächerlich«, sagte Madeline. Sie saß auf dem alten Sofa, das in der Wohnung stand, die sie sich geteilt hatten.
»Hast du das gehört?«, fragte Patrick. Ellen schreckte aus ihrem Traum auf. Er saß aufrecht im Bett und rieb sich verschlafen die Augen.
»Das ist bloß der Wind«, murmelte Ellen.
Der Wind heulte ums Haus und rüttelte an den Fenstern. Sie setzte sich ebenfalls auf und griff nach dem Wasserglas auf dem Nachttischchen.
»Oh. Entschuldige«, sagte Patrick und legte sich wieder hin.
Ellen setzte das Glas an die Lippen. Es war leer. Sie konnte sich nicht erinnern, es ausgetrunken zu haben. Sie schaute auf die Uhr. Erst vier Uhr. Die Nacht schien gar kein Ende nehmen zu wollen.
»Ich träume ein seltsames Zeug«, sagte sie.
Ein dumpfer Schlag. Ein Ast, vielleicht auch irgendetwas anderes, war auf das Dach geschleudert worden.
»Ich auch«, sagte Patrick. »Muss am Wind liegen.«
»Du hast da etwas gesagt, als wir die Entspannungsübung machten«, begann Ellen.
»Hmm?«
»Über Colleen.«
Sie wartete, aber Patrick begann erneut zu schnarchen.
Sie legte sich wieder hin. Und träumte weiter.
Es war ihr Hochzeitstag, sie schritt im Brautkleid ihrer Großmutter zum Traualtar. Sie hatte ihre Hand ausgestreckt und trug ihr Baby auf der Handfläche. Es war so groß wie eine Perle und rollte hin und her.
»Halten Sie Ihre Hand gerade! Sie werden es noch
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