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Alles aus Liebe: Roman (German Edition)

Alles aus Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Alles aus Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Moriarty
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mehr Würde, bitte. Etwas mehr Selbstachtung!
    Eine berechtigte Forderung.
    Als ich im Lift nach unten fuhr, weinte ich immer noch, verspürte aber keine Gefühlsregung mehr. Die Tränen waren wie das Symptom einer seltsamen Krankheit. Ich wartete einfach darauf, dass sie versiegten.
    Auf dem Weg zu meinem Auto wurden die Schmerzen in meinem Bein plötzlich unerträglich. Um in Ellens Bildern zu sprechen: Es war, als hätte jemand den Herdschalter schlagartig auf die höchste Stufe gedreht.
    Ich konnte keinen Schritt mehr gehen. Ich musste mich hinsetzen. Ich schaute mich nach einer Bushaltestelle mit einer Bank oder nach einem Mäuerchen um, konnte aber weder das eine noch das andere entdecken, und so ließ ich mich einfach auf den Bordstein fallen, wie eine Betrunkene. Ich konnte nicht glauben, dass ich noch vor einer halben Stunde erfolgreich mit Bauunternehmern verhandelt hatte, und jetzt saß ich heulend am Rinnstein.
    Ein Mann, der sein Auto gerade unmittelbar vor mir am Straßenrand abgestellt hatte, kam zu mir und fragte, ob alles in Ordnung sei. Er dürfte Ende sechzig gewesen sein und hatte ein freundliches, wind- und wettergegerbtes Gesicht, wie ein Mann aus dem Outback. Er erinnerte mich an Patricks Vater. Er dachte, ich hätte mir den Knöchel verstaucht, und sagte, ich müsse ihn unbedingt hochlegen und dass er mir Eis zum Kühlen holen wolle. Ich konnte ihn erst nach einer ganzen Weile davon überzeugen, dass meinem Knöchel nichts fehlte. Ich hätte unerklärliche Schmerzen im Bein, die auf keine Behandlung ansprachen, erklärte ich ihm, und ich weinte nicht wegen der Schmerzen, sondern aus »privaten Gründen«. Da zog er seine Brieftasche hervor und nahm eine Karte heraus. Im ersten Augenblick dachte ich, er wolle mir die Adresse eines Psychiaters geben, aber er sagte: »Der Mann ist ein erstklassiger Physiotherapeut. Ich hatte vor ein paar Monaten fürchterliche Rückenschmerzen. Nicht auszuhalten. So schlimm, dass es mir fast die Tränen in die Augen getrieben hätte. Aber der Typ hat es wieder hingekriegt. Mein Rücken ist so gut wie neu!«
    Ich bedankte mich und sparte mir die Mühe, ihm zu erklären, dass ich bereits bei sieben verschiedenen Physiotherapeuten gewesen war und keine Lust hatte, noch mehr Geld zum Fenster hinauszuwerfen.
    »Nehmen Sie ein starkes Schmerzmittel bis dahin«, fuhr er fort. »Und vergessen Sie diesen Trottel! Er hat Ihnen den Laufpass gegeben, stimmt’s? Eine andere Mutter hat auch einen netten Sohn für so ein Prachtmädel wie Sie!« Er tätschelte mir unbeholfen die Schulter. Plötzlich schien er peinlich berührt, als ob er fürchtete, sich danebenbenommen zu haben. Er richtete sich schnell auf, und seine Kniegelenke knackten laut. Vielleicht ein Fall für seinen erstklassigen Physiotherapeuten.
    So nette Leute! Wie kommt es, dass sie so nett sind? Und wie schaffen sie es, so nett zu bleiben? Immerzu lächeln und Anteil nehmen und sich kümmern? Es muss doch anstrengend und zeitraubend sein, ständig nach Fremden in Not Ausschau zu halten.
    Ich sah dem Mann nach und dachte zum ersten Mal seit vielen Jahren: Es muss schön sein, einen Vater zu haben.
    Ich wette, Ellen hat einen reizenden Vater, einen Daddy, der sie auf seinen Knien hüpfen ließ und sie »meine Prinzessin« nannte. Sie sieht aus wie jemand, der von seinem Vater abgöttisch geliebt wurde.
    Ich rief von meinem Platz an der Gosse im Büro an und teilteden Kollegen mit, ich würde den Rest des Tages von zu Hause aus arbeiten.
    Irgendwie schaffte ich es, zu meinem Auto zu humpeln. Zu Hause angekommen, befolgte ich den Rat des netten väterlichen Fremden und nahm zwei starke Schmerztabletten. Es dauerte nicht lange, bis ich einschlief. Als ich aufwachte, waren der Junge und das Mädchen von der netten Familie nebenan aus der Schule zurück und spielten im Garten hinter dem Haus. Ich versuchte zu arbeiten, aber mir war schwindlig und ganz komisch im Kopf, und der Lärm der Kinder lenkte mich immer wieder ab. Dafür, dass sie nette Kinder waren, spielten sie nicht sonderlich nett miteinander. Es hörte sich nach einer zerstörerischen Beziehung an: Erst lachten und sangen sie, eine Sekunde später war Gebrüll und Gekreische zu hören: »Nicht! Lass das!« Ich hatte immer gedacht, die Kinder heutzutage spielten nur noch drinnen mit ihren Computerspielen.
    Irgendwann gab ich es auf, arbeiten zu wollen. Stattdessen machte ich eine Flasche Rotwein auf. Ich wollte auf Patricks Baby anstoßen.
    Das war ein

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