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Alles aus Liebe: Roman (German Edition)

Alles aus Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Alles aus Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Moriarty
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ist sie hier?«, fragte Jack noch einmal. Er riss die Augen noch weiter auf, als er sie über Ellens Schulter hinweg am Boden liegen sah. »Was ist mit ihr? Es geht ihr doch gut, oder?«
    »Vergiss sie einfach, okay?«, sagte Patrick.
    »Nein!«, schrie der Junge. Seine Stimme schallte laut durch das stille Haus.
    Patrick wurde blass. »Schon gut, alles in Ordnung, reg dich nicht auf.« Er wollte den Jungen festhalten, aber Jack machte sich los.
    »Du kannst sie nicht einfach vergessen ! Hör auf, das zu sagen! Bloß weil du sie nicht leiden kannst. Das ist nicht gerecht!«
    »Es ist alles in Ordnung, Jack«, wiederholte Patrick besänftigend.
    »Ich will, dass du nach ihr siehst!«
    Jacks Gesicht wechselte die Farbe, es wurde hochrot. Seine kleine Brust hob und senkte sich heftig, und seine Augen glitzerten vor Zorn. Ellen verschlug es die Sprache. Dieses achtjährige Kind zeigte die Gefühlsregungen eines Erwachsenen.
    Sie holte tief Luft, dann sagte sie ruhig: »Ich kümmere mich um sie, Jack, keine Sorge.«
    Ich weiß, manches werde ich niemals vergessen, und ich denke, an manches werde ich mich niemals erinnern.
    Ich weiß zum Beispiel nicht mehr, dass ich ein Taxi gerufen habe, aber ich weiß noch genau, wie der Fahrer vor Ellens Haus hielt und ich ihm zehn Dollar Trinkgeld gab und wir uns über den Wind unterhielten. Der Sturm tobte und heulte, ich erinnere mich, dass die Bäume heftig schwankten – wie Frauen, die wehklagend um ihre toten Kinder trauern.
    Ich befand mich in einer ekstatischen Stimmung, die etwas Naturhaftes, Ungebändigtes hatte, als hätte eine Wilde, eine Waldbewohnerin, mein Inneres berührt. Ich weiß noch, wie ich an meine Haare fasste und merkte, dass sie triefnass waren, und wie ich ganz durcheinander war, weil es nicht regnete. Ich musste geduscht haben, in meine Sachen geschlüpft sein und mir ein Taxi gerufen haben.
    Immerhin setzte ich mich nicht ans Steuer, weil ich getrunken hatte. Ein Teil meines Verstandes hatte also noch funktioniert.
    Ich weiß nicht mehr, warum ich mich zu Ellens Haus fahren ließ, aber ich kann mir denken, was in meinem Kopf vorgegangen ist. Ich stand wahrscheinlich unter der Dusche und stellte mir vor, wie Ellen und Patrick sich anschickten, ins Bett zu gehen, und wie sie über ihren Tag sprachen, wie aufregend es gewesen sei, ihr Baby zum ersten Mal zu sehen, und ich muss gedacht haben: Ich wünschte, ich könnte die beiden sehen. Und irgendwann habe ich wohl beschlossen, zu ihnen zu fahren.
    Vielleicht hatte ich auch das überwältigende Verlangen, Patricketwas zu sagen: dass ich ihn liebte oder dass ich ihn hasste; dass ich sein Verhalten verstehen konnte oder dass ich es nie verstehen würde; dass ich ihn endlich loslassen wolle und nie wieder in seine Nähe käme oder dass ich ihn nie gehen ließe, dass ich ihn für den Rest meines Lebens lieben würde.
    Wer weiß?
    Das Nächste, woran ich mich erinnere, ist, dass ich am Fußende ihres Bettes stehe. Patrick lag auf dem Rücken und schnarchte mit offenem Mund. Ich kenne das: Jeder Schnarcher ist ein bisschen lauter als der vorhergehende, bis schließlich ein ganz gewaltiger ihn halb weckt, dann hört er kurz auf, und ein paar Sekunden später geht es von vorn los. Ellen lag auf der Seite, die gefalteten Hände unter der Wange, in einer Schlafposition, wie man sie von ihr erwarten würde. Auch sie schnarchte, wenn auch leiser und regelmäßiger als Patrick. Das Schnarchen der beiden hörte sich lustig an: so als ob sie gemeinsam eine Melodie spielen wollten, es aber nie hinkriegten und deshalb immer wieder von vorn beginnen mussten.
    Ich fühlte weder Neid noch Zorn noch Schmerz. Ich fühlte nichts als Ruhe in mir. Ich war den beiden freundlich gesinnt. Deshalb war ich auch ganz geschockt, als sie aufwachten und ich ihre Reaktionen sah. Das Entsetzen auf ihren Gesichtern! Ich hätte sie am liebsten beruhigt: »Keine Angst, ich bin es nur!«
    Patrick benahm sich, als hätte er eine gefährliche Bestie vor sich. Als ob ich ein Grizzly wäre, der sich drohend vor ihnen aufgerichtet hat. Ich! Saskia! Ich kann nicht einmal einer Kakerlake etwas zuleide tun. Das weiß er doch.
    Und dann schrie Ellen mich an, ich solle das sofort hergeben, und zeigte aufgebracht auf meine Hand, und ich schaute an mir hinunter und sah die Ultraschallaufnahmen ihres Babys in meiner Hand, aber ich konnte mich gar nicht erinnern, dass ich sie an mich genommen oder sie betrachtet hatte.
    Sie tat so, als würde ich ihr das Baby

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