Alles aus Liebe: Roman (German Edition)
schossen.
Und diese Anerkennung . Das vor allem war es, was so wunderbar am Sich-Verlieben war. Patrick schien alles an ihr zu bewundern, jede Kleinigkeit, die er über ihren Körper, ihre Vergangenheit, ihre Persönlichkeit kennenlernte. Dadurch fühlte sich Ellen nicht nur unglaublich sexy, sondern auch witziger, klüger, netter, warmherziger, rundherum liebenswerter. Sie war unbesiegbar! Ihr Leben plätscherte in vollkommener Harmonie dahin, als hätte sie Erleuchtung erlangt. Ihre Patienten empfand sie als reizend und dankbar, ihre Freunde fabelhaft, ihre Mutter keine Spur anstrengend. (»Wann werde ich ihn denn kennenlernen?«, hatte sie am Telefon gefragt, in einem erfreuten, herzlichen Ton, in dem vermutlich jede normale Mutter solch eine Frage stellen würde.) Was auch immer auf Ellens Einkaufsliste stand, sie fand das Gewünschte direkt vor sich im Regal, die Ampeln schalteten auf Grün, wenn sie heranfuhr, Autoschlüssel, Sonnenbrille und Geldbeutel lagen griffbereit auf dem Tischchen im Flur. An diesem Morgen zum Beispiel hatte sie nur eine Stunde Zeit gehabt, um auf die Bank, zur Kfz-Zulassungsstelle und in die Reinigung zu gehen, und sie war überall so schnell drangekommen, dass sie nicht einmal eine volle Stunde gebraucht hatte, und jeder, sogar die Bediensteten derKfz-Zulassungsstelle, war überaus freundlich gewesen. Mit dem Bankangestellten hatte sie eine regelrecht gefühlsbetonte Unterhaltung über das Wetter geführt (der Angestellte kam aus England und fand den australischen Winter »einfach himmlisch«, was Ellen vor lauter Stolz fast zu Tränen gerührt hatte, so als ob sie ganz allein für das australische Klima verantwortlich wäre).
Könnte sie dieses einzigartige Gefühl doch in ein Gefäß abfüllen und für alle Ewigkeit aufbewahren! Natürlich würde es nicht ewig halten, ihr Verstand wusste das, aber ihr Herz, ihr törichtes Herz zwitscherte: Warum denn nicht? Natürlich kann es das! So bist du von jetzt an. So ist dein Leben von jetzt an.
»Ich würde mich niemals derart erniedrigen«, sagte Julia.
Was? Ach so, ja, die Sache mit dem Stalking.
»Na ja, wahrscheinlich kann sie einfach nicht loslassen«, erwiderte Ellen. Im Augenblick empfand sie Mitleid mit der ganzen Menschheit.
Julia schnaubte verächtlich. Sie lag auf der Bank Ellen gegenüber und hatte sich ein Handtuch wie einen Turban um den Kopf geschlungen. Mit ihrer hochgewachsenen, sehnigen, athletischen Figur und den verrückten blonden, lockigen Haaren bewegte sie sich dicht an der Grenze zu außergewöhnlicher Schönheit. Wenn Ellen neben ihrer Freundin ging, fiel ihr jedes Mal auf, wie die Blicke der Männer unwillkürlich ein zweites Mal zu Julia hinschossen und sie eine Sekunde lang anerkennend taxierten. Unglücklicherweise wirkte ihre Schönheit anziehend auf eine bestimmte Sorte Mann, nämlich jene, die Qualität zu schätzen wussten und gern einen höheren Preis dafür bezahlten. Das Problem war, dass diese Männer ständig ihren Computer, ihr Auto und ihre Frau gegen ein neueres, hochwertigeres Modell eintauschten. Das lag einfach in ihrer Natur. Sie waren eifrige Konsumenten und hielten zweifellos die Wirtschaft am Laufen. Nach knapp fünfjähriger Ehe hatte William, Julias Mann, beschlossen, dass es Zeit für eine Aktualisierung war, und ein höherwertiges Produkt erworben: eine dreiundzwanzigjährige Brünette.
Ellen dachte immer, dass die Männer, die sich zu ihr hingezogen fühlten, besser seien als jene, die sich für Julia entschieden, weil sie sich nicht von der Werbung einreden ließen, was schön war und was nicht. Diese Männer waren nicht oberflächlich, sondern Individualisten. Doch da die Geschichte ihrer Beziehungen keineswegs erfolgreicher als die von Julia war, konnte sie ihre Theorie leider nicht beweisen. Wenn sie ehrlich war, dann war ihre schöne Theorie nur dazu da, ihr Selbstwertgefühl zu heben, weil die meisten Männer es nicht für nötig befanden, sie jenes zweiten Blickes zu würdigen. William war allerdings tatsächlich ein Trottel ohne Tiefgang gewesen. (Aber sie musste zugeben, dass sie ihn anfangs gemocht hatte.)
»Wo hat die Frau denn ihre Selbstachtung gelassen?«, fauchte Julia. »Soll sie doch endlich einen Schlussstrich unter die Vergangenheit ziehen, Herrgott noch mal! Sie bringt uns alle in Verruf.«
Ihre Stimme klang scharf, so als fühle sie sich persönlich getroffen.
»Du meinst, uns Frauen?«, sagte Ellen. »Stalker sind meistens Männer. Ich finde es gut, dass
Weitere Kostenlose Bücher