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Alles aus Liebe: Roman (German Edition)

Alles aus Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Alles aus Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Moriarty
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war ich völlig neben der Spur. Ich hatte noch nie einen derartigen Schmerz verspürt, und das machte mir eine Heidenangst. Ich dachte, was zum Teufel ist das? Das tut verdammt weh! Ich entwickelte daher eine brillante Strategie: Ich ließ den Schmerz nicht zu. Ich weiß noch, wie ich dachte: die sieben Phasen der Trauer, so ein Schwachsinn, doch nicht für mich! Wenn es wehtut, darüber nachzudenken, dann lass es eben sein. Arbeite, lenk dich ab! Das war der Grund, warum ich mich selbstständig gemacht habe. Ich glaube, ich habe gedacht, wenn ich es nur verbissen genug versuche, wenn ich mental stark genug bin, kann ich den Schmerz unterdrücken. Das hat hervorragend funktioniert, wie du dir denken kannst. Ich war ein wandelnder, sprechender, atmender Roboter. Alle dachten, ich käme bestens klar. Sie machten mir sogar Komplimente deswegen. Und irgendwie kam ich ja tatsächlich klar. Und dann traf ich Saskia auf dieser Konferenz, und ich mochte sie, wahrscheinlich liebte ich sie später sogar, auf meine komische roboterhafte Art. Sie merkte anscheinend gar nicht, dass ich ein Roboter war, weißt du. Wir unternahmen etwas zusammen, und sie lächelte mich an, und dann ertappte ich michdabei, dass ich ganz erstaunt dachte: Sie ist wirklich glücklich, sie tut nicht nur so, sie ist tatsächlich glücklich. Und ich dachte: Na ja, was soll’s, egal, das ist der Mann, der ich jetzt eben bin, und Jack ist glücklich und … Pass auf!«
    Eine Welle rauschte tiefer als die anderen landeinwärts, und weißes, schäumendes Wasser flutete auf sie zu. Patrick hatte Ellen blitzschnell seinen Arm um die Taille gelegt und hob sie ein Stück vom Boden hoch, damit ihre Schuhe nicht nass wurden. Dann setzte er sie wieder auf dem trockenen Sand ab. Die plötzliche unverhoffte Wärme seines Körpers weckte eine seltsame brennende Sehnsucht in ihr, so als wäre Patrick nicht ihr Partner, als wäre er schon vergeben und lediglich ein Freund, mit dem sie spazieren ging.
    »Saskia hat einen Großteil von Jacks Erziehung übernommen«, fuhr er fort. »Daran ist nur Colleen schuld.«
    »Wie bitte?« Ellen war verwirrt, aber nicht unglücklich darüber, dass die arme Colleen offenbar auch einmal etwas falsch gemacht hatte.
    »Colleen war eine großartige Mutter, aber eine von der Art, die Kindererziehung als ihr alleiniges Reich betrachtete. Sie war unglaublich herablassend, wenn ich ihr mit Jack helfen wollte, sie behandelte mich, als ob ich ein liebenswerter Trottel wäre, dem sie Jack nicht bedenkenlos anvertrauen konnte. Als sie dann starb, geriet ich regelrecht in Panik, ich dachte: Ich kann dieses Kind unmöglich allein großziehen! Ich werde ihm das Falsche anziehen, er wird entweder zu dünn oder zu warm angezogen sein, und ich werde ihm nicht das Richtige zu essen geben oder den falschen Babypuder kaufen oder was auch immer. Ich hatte keinen blassen Schimmer von Kindern. Also kam ständig meine Mutter oder Colleens Mutter herüber, um sich um den Kleinen zu kümmern, und die beiden waren natürlich noch viel schlimmer als Colleen. Sie taten so, als wäre ein Mann schlicht unfähig, eine Windel zu wechseln. Und dann lernte ich Saskia kennen, und es schien sie glücklich zu machen, Colleens Platz einzunehmen, in die Rolleder Mum zu schlüpfen, und ich hatte absolut nichts dagegen. Ich lehnte mich zurück und ließ es zu. Jack liebte sie, und sie liebte ihn. Ich hätte das nicht tun dürfen.« Er streifte Ellen mit einem Seitenblick. »Aber, na ja, ich weiß nicht, vielleicht mache ich jetzt den gleichen Fehler mit dir. Ich meine, ich lasse dich Jacks Schulmahlzeiten zubereiten.«
    »Ich mach das gern«, erwiderte Ellen vorsichtig.
    Sie konnte die Anwesenheit aller anderen Frauen in Jacks Leben – der Großmütter, Colleens, Saskias – förmlich spüren, wie sie sie kopfschüttelnd und herablassend mit der Zunge schnalzend umringten und dachten: Du würdest ihm Weißbrot sandwiches machen!
    »Na ja, dieses Mal werde ich mich um ein besseres Maß an Ausgewogenheit bemühen«, sagte Patrick. »Und nicht einfach meinen Sohn weiterreichen und sagen: Hier, kümmere du dich um ihn. Und wenn unser Baby erst einmal da ist, möchte ich mit einbezogen werden, okay? Vom ersten Augenblick an.«
    »Du hast mehr Erfahrung mit Babys als ich«, warf Ellen ein.
    Patrick lächelte sie kurz und dankbar an. »Stimmt. Ich bin der Fachmann. Ich werde dir alles beibringen, was du wissen musst, Liebes.«
    »Und dann?«, fragte Ellen nach einer kleinen Pause.

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