Alles aus Liebe: Roman (German Edition)
Nachtschwärmer«, erwiderte Anne.
Es war, als hätte es das romantische Intermezzo mit Ellens Vater nie gegeben. Sein Auftritt hatte keine riesige Flutwelle in EllensLeben ausgelöst, sondern bestenfalls ein Kräuseln der Oberfläche verursacht.
Es stellte sich heraus, dass der Klub, in dem Simon mit seinen Freunden verabredet war, in derselben Straße lag wie Annes neues Weinlokal, und so bot sie an, ihn mitzunehmen. Simon willigte freudig ein, er war ganz glücklich, dass er sich die Kosten für ein Taxi in die Stadt sparen konnte.
»Das ist wirklich furchtbar lieb von Ihnen, Anne«, sagte Maureen bekümmert.
Nachdem Ellen und Maureen in der Küche fertig waren (seit dem Tod ihrer Großmutter waren die Küchenschränke nicht mehr so blitzblank gewesen), schlug Patricks Vater eine Partie Monopoly vor. Er hatte die Schachtel im Regal entdeckt, und jetzt rieb er sich voller Vorfreude die Hände und versprach den anderen, dass sie binnen einer Stunde bankrott sein würden.
Während George das Brett aufbaute und die Banknoten zu sauberen kleinen Stapeln schichtete, fragte Patrick, ob es ihm etwas ausmache, wenn er und Ellen nicht mitspielten.
»Wir würden gern noch einen kleinen Spaziergang am Strand machen«, fügte er hinzu, wobei er Ellen ansah und fragend seine Brauen hochzog. Ellen nickte. Vielleicht würde ihr das helfen, ihren Kopf frei zu bekommen.
»Es ist mitten im Winter und mitten in der Nacht, und kalt und windig ist es auch!«, protestierte Maureen. »Und deine Frau ist schwanger!«
»Es ist Frühjahr und halb neun«, entgegnete Patrick. »Es ist ziemlich mild, ich glaube nicht, dass das Baby etwas dagegen hat.«
»Und ich bin nicht seine Frau«, merkte Ellen an.
Es entstand ein betretenes Schweigen.
»Noch nicht!«, verbesserte sie sich hastig. »Ich meine, bald werde ich es sein.«
»Na, dann viel Spaß, ihr zwei.« Maureen ließ einen kurzen, prüfenden Blick über die beiden schweifen – wie eine Expertin, die ihre Beziehung auf Haarrisse untersuchte, die möglicherweisezu gravierenden Schäden führten. Dann ordnete sie ihr Gesicht neu und fügte hinzu: »Wenn ihr wieder da seid, werde ich George vielleicht zu einer Partie Tennis im Mondschein entführen.«
»Oh, meine Frau und ihre spöttische Ader! Hier, mein Schatz, dein Bügeleisen.« George hob das Miniaturbügeleisen vom Monopolybrett hoch.
»Du weißt ganz genau, dass ich immer das Schlachtschiff habe.« Maureen setzte sich ans Kopfende des Tisches und schüttelte die Würfel in ihren hohlen Händen. »Auf geht’s, Jack! Glaub ja nicht, dass du wegen eines einzigen gebrochenen Knochens eine Sonderbehandlung kriegst!«
Patrick hatte recht. Der Wind hatte sich gelegt, und es war eine Wohltat, warm angezogen über den menschenleeren Strand zu spazieren. Der Sand war immer noch mit einer orangeroten Staubschicht überzogen, aber die salzige, kalte Luft war klar und sauber. Patrick und Ellen taten tiefe, stärkende Atemzüge und schlenderten dann bis zum Meer hinunter, wo das Wasser den Sand festgebacken hatte.
Sie gingen nebeneinander her, ohne sich zu berühren. Ellen konzentrierte sich auf das rhythmische, hohle Rauschen der Brandung und auf ihre Atmung.
»Also …«, sagte Patrick schließlich.
»Also?«
»Also, das hat mich echt umgehauen.«
»Jack.«
»Ja. Ich meine, ich habe das immer für etwas Positives gehalten, dass er nie nach Saskia gefragt hat! Ich wäre niemals auf den Gedanken gekommen, dass er sich die Schuld daran gab, dass sie weggegangen ist.« Seine Stimme war brüchig geworden. »Das arme Kerlchen.«
Ellen fiel nicht zum ersten Mal auf, dass Patrick in Phasen großer Belastung wie sein Vater redete – in der Sprache der Fünfzigerjahre.
»Kinder halten sich für den Nabel der Welt«, sagte sie. »Deshalb suchen sie die Schuld immer bei sich.«
»Ich glaube, er hat mir das mit Saskia all die Jahre übel genommen.«
»Gut möglich.«
Ellen hielt sich mit weiteren Kommentaren zurück. Patrick musste sich selbst damit auseinandersetzen und ganz allein damit fertigwerden.
Sie gingen ein paar Minuten schweigend nebeneinander her, dann sagte er leise: »Sie war ihm eine gute Mutter. Sie …«
Seine Stimme erstarb. Er schaute zu den Sternen hinauf, als erhoffte er sich von ihnen eine Eingebung. Dann atmete er tief durch und begann zu reden, schnell und ohne Ellen anzusehen, so als wären sie Geheimagenten und er hätte nur begrenzt Zeit, um ihr wichtige Informationen mitzuteilen.
»Als Colleen starb,
Weitere Kostenlose Bücher