Alles aus Liebe: Roman (German Edition)
»Hast du aufgehört, ein Roboter zu sein? Hast du dich deshalb von Saskia getrennt?« Oder bist du immer noch ein Roboter? Und ich bin bloß eine zweite Saskia?
»Eines Tages fing ich an zu weinen«, erzählte er. »Im Auto. Es war total merkwürdig. Ich weinte den ganzen Weg von Gordon nach Mascot. Und danach passierte es immer wieder. Jedes Mal, wenn ich allein im Auto saß, fing ich an zu weinen. Manchmal fiel mir auf, wie die Leute mich anstarrten, wenn ich an einer Ampel halten musste. Da saß ein erwachsener Mann hinter dem Lenkrad und heulte. Das ging wochenlang so. Und dann wachte ich eines Morgens auf, und etwas war anders geworden. Ich fühlte mich anders. So als ob ich richtig krank gewesen wäre und aufwachteund merkte, dass es mir besser geht. Ich war nicht direkt glücklich, aber ich hatte plötzlich das Gefühl, dass es möglich sein könnte, wieder glücklich zu sein. Und ich sah Saskia an, die neben mir lag, und mir war klar, dass ich mich von ihr trennen musste. Ich wusste es einfach. Eine Zeit lang sollte es nur Jack und mich geben. Das war mir schlagartig klar geworden. Aber sie hatte gerade erst erfahren, dass ihre Mutter schwer krank war, also sagte ich nichts, ich schob es immer wieder vor mir her.«
Ellen nickte. »Und dann starb ihre Mutter.«
»Ja. Und da habe ich es ihr endlich gesagt. Ich glaube, ich hatte diesen blöden Gedanken im Kopf, dass sie es gar nicht so tragisch nehmen würde, dass ich ihr fast einen Gefallen tat, weil sie jetzt jemanden suchen konnte, der sie liebte, wie es sich gehörte. Ihre Reaktion hat mich total geschockt, ich glaube, ich habe das gar nicht richtig ernst genommen. Als ob ich gedacht hätte: Du kannst mich doch nicht ernsthaft geliebt haben, ich war doch gar nicht da! Verstehst du, was ich meine?«
»Ja, ich glaub schon«, antwortete Ellen ein wenig atemlos. Patrick war immer schneller geworden, und sie hatte Mühe, mit ihm mitzuhalten.
»Entschuldige«, sagte er, als er es bemerkte. »Komm, setzen wir uns einen Augenblick.«
Sie gingen weg vom Wasser, dorthin, wo der Sand weich war, und setzten sich, das Gesicht dem Meer zugewandt, Schulter an Schulter nebeneinander.
»Ich glaube, das ist auch der Grund, warum ich die Sache mit der einstweiligen Verfügung immer wieder hinausgeschoben habe«, fuhr Patrick fort. »Weil ich im tiefsten Inneren wusste, dass ich sie mies behandelt hatte, obwohl ich das nie zugegeben hätte, nicht einmal vor mir selbst. Ich war auf dem Weg zur Polizei, und dann dachte ich plötzlich: Großer Gott, die Frau hat mein Kind zu einem sauberen, höflichen Jungen erzogen! Sie hat ihre Karriere auf Eis gelegt, damit sie sich um ihn kümmern konnte. Ich stehe in ihrer Schuld. Ich sagte mir, irgendwann wird sie schondamit aufhören, mich zu verfolgen und zu belästigen. Ich habe sie unterschätzt, ich habe die Sache zu leicht genommen. Spätestens nach dem Zwischenfall in Noosa, als ich wusste, du bist in die Angelegenheit verwickelt, hätte ich handeln müssen. Ich darf gar nicht daran denken, was letzte Nacht hätte passieren können, was dir oder Jack oder dem Baby hätte zustoßen können.« Er fröstelte.
»Vielleicht hätte das gar nichts geändert. Wenn du früher zur Polizei gegangen wärst, meine ich.«
Patrick hob eine Schulter und ließ sie wieder sinken, eine Geste, die besagen wollte: Wer weiß?
»Wie auch immer. Genug von Saskia.« Er hob den Kopf und blickte zum Sternenhimmel hinauf. »Bitte, lieber Gott, genug von Saskia.«
»Ja«, sagte Ellen leise.
Sie dachte an Saskias kalkweißes Gesicht und fragte sich, was sie wohl jetzt gerade machte, ob sie Freunde oder Angehörige hatte, die sie im Krankenhaus besuchten, und was in ihrem verwirrten Verstand vor sich gehen mochte.
Patrick atmete tief durch. »Eigentlich habe ich einen Spaziergang vorgeschlagen, weil ich mit dir über die vergangene Nacht reden wollte und über das … äh … was ich gesagt habe. Über Colleen.« Sein Ton hatte sich vollkommen verändert. Er sprach steif und förmlich, so als äußerte er sich in einem juristischen Verfahren, das ihm fremd war.
»Gut.« Ellen spürte, wie ihr Magen sich verkrampfte.
Plötzlich wollte sie nicht mehr, dass er darüber sprach. Worte würden alles nur noch komplizierter machen, und sie würden sich beide hinterher noch schlechter fühlen. Seltsam. Sie hatte immer geglaubt, Worte seien die Antwort auf alles – schließlich therapierte sie ihre Patienten ausschließlich mithilfe von Worten.
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