Alles aus Liebe: Roman (German Edition)
innerhalb von Sekunden verändern. Nichts war von Dauer, nur der Wandel. Die Buddhisten wussten, wovon sie sprachen.
Eine Zeit lang schwiegen sie beide und schauten den Vorbereitungen für irgendeine Darbietung zu, die offenbar auf einer Bühne mitten in dem großen Zelt stattfinden sollte.
»Patrick scheint ein feiner Kerl zu sein«, sagte David schließlich. »Er hat einen Sohn, nicht wahr? Aus einer früheren Ehe?«
Ellen nickte. »Jack, ja. Er ist heute auf einer Party. Seine Mutter starb, als er noch klein war.«
»Test!«, rief jemand in ein Mikrofon. »Test! Eins, zwei, drei!«
»Das macht unsere Beziehung natürlich ein bisschen kompliziert«, hörte Ellen sich sagen.
Das kam davon, wenn man sich an einer Bushaltestelle zu lange mit einem Fremden unterhielt. Das Gespräch nahm urplötzlich eine unangemessen intime Wendung.
»Warum?«, fragte David, was Ellen aus dem Konzept brachte.
War das nicht offensichtlich? Die meisten Frauen, die sie kannte, hätten gesagt: »O ja, natürlich, das kann ich mir lebhaft vorstellen, die Freundin meiner Schwester hatte auch mal was mit einem Witwer, und das war eine absolute Katastrophe …« oder jedenfalls etwas in der Art.
»Na ja, ich meine, seine erste Frau ist gestorben und das …«
Ein schrilles Kreischen aus der Lautsprecheranlage unterbrach sie. Alle im Zelt zuckten mit schmerzverzerrten Gesichtern zusammen und hielten sich die Ohren zu. Als das Quietschen endlich verstummte, rief jemand ins Mikrofon: »Entschuldigung!«
David sagte: »Ich glaube nicht, dass du dir irgendwelche Sorgen machen musst.«
»Wie kommst du darauf?«
Er wandte sich ihr zu. »Ellen …« (Sie erinnerte sich nicht, dass er sie bisher beim Vornamen genannt hatte, während sie in einem fort »David dies« und »David jenes« sagte; sie redete Leute, die sie nicht besonders gut kannte, viel zu oft mit dem Vornamen an.) »Ellen, der Mann hat dir heute Morgen die Vorhänge aufgehängt .«
»Ja, ich weiß, aber …«
»Das ist eine verdammte Schinderei, wie mein Vater gesagt hätte.«
»Wirklich?«
»Und er brannte förmlich darauf, mir die Ultraschallfotos zu zeigen. Das hört sich für mich nicht nach einer komplizierten Beziehung an.«
Gitarrenklänge erfüllten das Zelt. Drei Flamencotänzerinnen schritten auf die Bühne, ihre prachtvollen Kleider raffend und mit knappen Gesten hin und her schwingend, die Köpfe ruckartig bewegend, die bildschönen jungen Gesichter majestätisch und ernst.
»Olé!«, rief David aus.
Er hob beide Hände über den Kopf und tat so, als klapperte er mit Kastagnetten. Es war eine durch und durch blöde, typisch väterliche spaßige Einlage, die jeden Teenager, der einen Hauch von Selbstachtung besaß, vor Scham am liebsten im Boden hätte versinken lassen.
»Olé!«, wiederholte Ellen gut gelaunt.
Sie lehnte sich bequem zurück und schaute der Darbietung zu, und während sie zuschaute, spürte sie, wie sich der letzte, leise Zweifel an Patricks Liebe (ein Zweifel, dessen sie sich gar nicht bewusst gewesen war) verflüchtigte.
So also war es, einen Vater zu haben.
»Klopf, klopf!«
Das war Tammys Stimme draußen vor meinem Krankenzimmer.
»Bitte kein Wort zu ihr«, raunte ich Kate hastig zu.
Ich fürchtete weniger, Tammy könnte über mich urteilen – und das würde sie sicherlich tun – , als vielmehr ihre Neugier, ihr übermäßiges Interesse, ihre Faszination. Sie würde Mund und Augen aufreißen, nach Luft schnappen und kreischen und mir ein Loch in den Bauch fragen. Sie würde stundenlang meine Beweggründe und Patricks Reaktionen erforschen wollen.
»Natürlich nicht.« Kate legte ihr Strickzeug in ihren Schoß. »Ich werde es nicht einmal Lance erzählen.«
Sie würde es ihm erzählen. Sie würde es ihm gleich heute Abend beim Nachhausekommen erzählen. Ein derartiges Geheimnis konnte man unmöglich vor seinem Partner geheim halten.
Aber obwohl Lance garantiert eine Weile denken würde, was ich doch für ein verrücktes Miststück sei, und er froh sein würde, dass er nie mit mir ausgegangen war, und er Mitleid mit Patrick haben würde, hatte ich das Gefühl, dass er irgendwann, wenn Kate zufällig wieder davon anfing, lediglich bemerken würde: »Ach ja, richtig, was war da doch gleich gewesen?« Er war nicht der Typ, der persönliche Informationen speicherte. Eine angeborene Integrität oder auch Anstand oder Abneigung gegen Tratsch würde ihn davon abhalten, meine Geschichte im Büro herumzuerzählen. Diesen Eindruck hatte
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