Alles aus Liebe: Roman (German Edition)
ein Stück Brot in ein kleines Rechteck aus goldenem Olivenöl.
»Mmm, fantastisch!«
Sie verdrehte in übertriebenem Entzücken die Augen. Es schmeckte tatsächlich fantastisch, aber sie wusste aus Erfahrung, dass es die Atmosphäre dieser Veranstaltungen war, die den Produkten einen scheinbar unvergleichlichen Geschmack verlieh. Zu Hause würde alles mehr oder weniger genauso schmecken wie die Massenware aus dem Supermarkt. Es waren die frische Luft und die Kraft der Suggestion, die so empfinden ließ. Eine sanfte Form der Hypnose.
»Komm, ich kauf dir eine Flasche.« Schon zog David eine Fünfzigdollarnote aus seiner Brieftasche.
»Sie haben aber einen netten Dad«, sagte die Frau.
David hüstelte in seine Faust, und Ellen lächelte ihn mitfühlend an.
Die Frau machte ein verwirrtes Gesicht. »O Entschuldigung, ich dachte, Sie seien Vater und Tochter.«
»Sind wir auch«, erwiderte Ellen.
»Hab ich mir doch gleich gedacht«, entgegnete die Frau in leicht vorwurfsvollem Ton, so als hätten die beiden versucht, sie hinters Licht zu führen. Sie reichte David das Wechselgeld und eine weiße Papiertüte mit dem Olivenöl. »Sie haben nämlich das gleiche Kinn.«
Ellen und David fassten sich gleichzeitig ans Kinn und lächelten und ließen ihre Hände wieder sinken.
Zum Essen gingen sie in ein großes Zelt, setzten sich an einen weißen Plastiktisch und bestellten Spaghetti. Die Unterhaltung war ein bisschen mühsam, so als ob sie zwei Fremde wären, die an einer Bushaltestelle ins Gespräch gekommen waren, aber dann verspätete sich der Bus, und jetzt fühlten sie sich verpflichtet, die Unterhaltung fortzusetzen.
»Das mit Mum und dir tut mir leid«, sagte Ellen nach einer langen Diskussion über den australischen Frühling verglichen mit jenem in England. »Dass ihr euch getrennt habt, meine ich.«
David nickte. »Ja, mir auch. Es war wahrscheinlich meine Schuld. Es war einfach noch zu früh für eine neue Beziehung. Ich war noch ziemlich angeschlagen.«
»Angeschlagen?«, wiederholte Ellen verdutzt.
»Na ja, meine Frau hat mich nach dreißig Ehejahren verlassen. Das hat mich wirklich umgehauen. Es war nicht einmal ein anderer Mann im Spiel. Sie sagte, sie habe ganz vergessen, wie es ist, sie selbst zu sein. Dann sei du selbst, habe ich zu ihr gesagt. Ich werde dich bestimmt nicht daran hindern. Aber anscheinend habe ich das doch getan.« Er drehte seine Spaghetti mit der Gabel auf und starrte sie dann betrübt an.
»Das tut mir leid«, murmelte Ellen. Sie hatte Mühe, ihren Blickwinkel zu korrigieren. »Ich dachte, du hättest deine Frau verlassen, oder es sei eine Trennung in gegenseitigem Einvernehmen gewesen.«
»So war es ganz sicher nicht.«
»Das hat Mum mir nicht gesagt«, begann Ellen.
»Ich habe meinen Trennungsschmerz heruntergespielt, könnte man sagen.«
»Du hättest während deiner Ehe immerzu an sie gedacht, hat sie mir erzählt.« Sie hoffte, er würde den vorwurfsvollen Unterton in ihrer Stimme nicht bemerken.
Ihr Vater warf ihr einen reumütigen Blick zu. »Das hat sie dir erzählt?« Er schob seinen Teller von sich, lehnte sich zurück und legte seine Arme auf die Armlehnen. »Das war nicht gelogen. Ich habe im Lauf der Jahre tatsächlich immer wieder an deine Mutter gedacht oder sogar von ihr geträumt, aber das heißt nicht, dass ich Jane nicht geliebt habe.«
Auch Ellen schob ihren Teller weg.
»Und trotzdem hast du sie betrogen, als du mit ihr verlobt warst«, sagte sie in lebhaftem, aber scherzendem Ton. Es war nicht ihre Absicht, ihn zu verurteilen. Sie zeigte auf sich selbst, das Resultat seiner Untreue. »Mehr als einmal, habe ich gehört.«
»Ja. Ich war jung und dumm, und deine Mutter war eine tolle Frau. Diese Augen !« Er zuckte mit den Schultern, eine jungenhaft charmante Geste. »Ein Glück, oder?«
Ellen wusste nicht, ob sie entzückt sein sollte oder nicht.
Nicht ganz die große Liebesgeschichte, nicht ganz der schlüpfrige Seitensprung, nicht ganz die mutige Tat einer Feministin – das waren die nebulösen, schillernden Fakten ihrer Zeugung.
»Wie auch immer«, fuhr David fort. »Deine Mutter und ich sind Freunde geblieben, und unter uns gesagt, habe ich die Hoffnung noch nicht aufgegeben.«
»Im Ernst?«
Ellen fragte sich, ob sie ihm sagen sollte, dass er ihrer Meinung nach nicht die geringste Chance hatte. Aber andererseits, was wusste sie schon? Eines hatte sie im Lauf der letzten Monate gelernt: Alles, was sie für wahr gehalten hatte, konnte sich
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