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Alles aus Liebe: Roman (German Edition)

Alles aus Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Alles aus Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Moriarty
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Gelegenheit, ihre beruflichen Fähigkeiten zu demonstrieren. Sie stellte sich vor, wie die Leute zu ihr sagten: »Haben Sie keine Angst vor seinen Gefühlen für seine verstorbene Frau?«, und wie sie ruhig und gelassen darauf antwortete: »Nein, nicht im Geringsten.« Sie würde es völlig verstehen, wenn er noch etwas für seine Frau empfand. Sie würde es instinktiv spüren, wenn sie sich zurückziehen und ihn seiner Trauer überlassen musste.
    »Ich nicht«, entgegnete Julia. »Ich war nie in den Einbeinigen verknallt.«
    »Nein, du warst ja auch zu beschäftigt damit, die neue Freundin deines Exfreundes mit Telefonanrufen zu terrorisieren.«
    »Touché!« Julia schwang einen imaginären Degen. Sie war die beste Fechterin der Schule gewesen. Sie wickelte sich das Handtuch wieder um den Kopf und streckte sich auf der Bank aus. »Außerdem habe ich eine gute Entschuldigung für mein Verhalten. Ich war siebzehn damals. Bei Teenagern ist das Hirn noch nicht richtig ausgebildet. Das ist eine medizinische Tatsache. Wie alt ist deine Stalkerin?«
    »Sie ist Patricks Stalkerin, nicht meine. Anfang vierzig, schätze ich.«
    Sie musste Patrick jede Information über Saskia aus der Nase ziehen. Er nannte sie nie beim Namen, er sagte immer »diese Frau« oder »die Kaninchenmörderin« (nach der rachsüchtigen Geliebten aus dem Film Eine verhängnisvolle Affäre ).
    »Siehst du? Sie ist erwachsen. Eine Frau mittleren Alters. Da gibt’s keine Entschuldigung. Sie hat sie nicht alle. Man sollte sie in die Klapsmühle stecken.«
    Ellen seufzte und streckte ihre Arme und Beine, so kräftig sie konnte, bevor sie sich wieder entspannte und ihren Körper mit der Holzbank verschmelzen ließ. »Wir sind doch alle ein bisschen verrückt, Julia.«

5
    »Sie werden abnehmen!«   /   »Sie können so schlank werden, wie Sie wollen!« Betrachten wir einmal den Unterschied zwischen diesen beiden Sätzen. Die erste Aussage könnte man als autoritär, väterlich und direkt beschreiben, die zweite als tolerant, mütterlich und indirekt. Milton Erickson vertrat die Auffassung, dass das Unterbewusstsein sich gegen autoritäre Formulierungen sträubt. Er war der Erste, der von »kunstvoller Unbestimmtheit« sprach. Diese Formulierung muss man einfach lieben, finden Sie nicht auch?
    A USZUG AUS EINEM V ORTRAG E LLEN O’F ARRELLS IN EINEM F ORTGESCHRITTENENKURS IN H YPNOTHERAPIE (drei Studenten nickten, die anderen sahen sie nur mit kunstvoll inszenierter Unbestimmtheit an)
    Ellen reagierte unverhältnismäßig panisch auf die Ankündigung, dass sie an diesem Abend Patricks Sohn kennenlernen würde.
    »Aber natürlich! Sicher! Gern!«, sagte sie und nickte dabei so heftig mit dem Kopf wie eine außer Kontrolle geratene Marionette, als Patrick anrief und fragte, ob er Jack zum Abendessen mitbringen dürfe. Der Schulfreund, den der Junge hatte besuchen wollen, hatte sich offenbar irgendeinen Virus eingefangen.
    »Er wird das essen, was wir auch essen«, sagte Patrick. »Oder wir bestellen eine Pizza oder so was für ihn. Bloß keine Umstände. Ach so, ja, er wird eine DVD mitbringen, die er sich anschauen will.«
    Und jetzt? Sollte sie von jedem Schweinemedaillon eine dünne Scheibe für den Jungen abschneiden? Sollte sie noch schnell einLammkotelett für ihn besorgen? Aber das schaffte sie nicht mehr. Sie hatte an diesem Nachmittag noch zwei Patienten, und der erste würde in fünf Minuten eintreffen.
    Außer Champagner und Wein hatte sie nichts zu trinken im Haus. Sie brauchte Cola oder Fruchtsäfte oder zumindest Limonade. Zum Dessert gab es Erdbeeren in Likör und eine mit Alkohol verfeinerte Cremespeise, das eignete sich überhaupt nicht für ein Kind.
    Er würde Eiscreme haben wollen. Oder Kuchen. Cupcakes vielleicht? Oder war das eher was für kleine Kinder? Sie durfte ihn auf keinen Fall beleidigen, indem sie ihn wie ein Kleinkind behandelte. O Gott! Sie brauchte mindestens ein paar Stunden Vorbereitungszeit. Sie musste unbedingt ihre Freundin Madeline anrufen, die Expertin in Sachen Kinder war; sie musste Julia eine Textnachricht schicken, und Julia würde ihr antworten, sie benehme sich wie ein Idiot; sie musste ihrer Freundin Carmel in New York mailen, und Carmel würde ihr bei Amazon ein Buch mit einem Titel wie Das Geheimnis, eine gute Stiefmutter zu werden bestellen; sie musste bei Google eine Suchanfrage eingeben: »achtjährige Jungs und wie man mit ihnen redet, ohne den verzweifelten Eindruck zu erwecken, ihre Mutter sein zu

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