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Alles aus Liebe: Roman (German Edition)

Alles aus Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Alles aus Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Moriarty
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heiraten wollte, war offenbar kein Hindernis gewesen. Es war ein Kinderspiel, ihn zu verführen,nicht nur einmal, sondern so viele Male, wie nötig gewesen waren an den fruchtbaren Tagen vor und nach dem Eisprung.
    »Immerhin waren das die wilden Siebziger«, sagte ihre Mutter.
    Und das war’s. Ein Job, der zu aller Zufriedenheit erledigt wurde. Ellens »Vater« heiratete ein Jahr später, zog nach England und erfuhr nie von der Existenz seiner Tochter.
    »Und wenn ich meinen Dad nun kennenlernen will?«, hatte sie während ihrer äußerst kurzen, nicht wirklich rebellischen Phase als Teenager zu ihrer Mutter gesagt und ein wenig gebibbert, da sie das fremdartige, beinah sexuell sinnliche Wort Dad in den Mund zu nehmen gewagt hatte.
    »Nur zu.« Anne hatte nicht einmal von ihrer Zeitung aufgeschaut. »Das wäre grausam, du würdest seine Frau damit sehr verletzen.«
    Und natürlich würde Ellen niemals bewusst etwas Grausames oder Verletzendes tun. Außerdem flößte ihr der Gedanke, diesem Mann mittleren Alters tatsächlich zu begegnen, Scheu ein. Die Väter ihrer Freundinnen, große, behaarte Männer mit tiefen Stimmen, waren, von einigen Ausnahmen abgesehen, langweilig und im wirklichen Leben irgendwie völlig unwichtig.
    Melanie und Phillipa, die besten Freundinnen ihrer Mutter, hatten selbst keine Kinder. Sie waren Ellens Patentanten und hatten, als Ellen klein war, viele Jahre bei ihr und ihrer Mutter gewohnt. Es hatte immer mal wieder einen Freund gegeben, der sie abholte oder manchmal auch mit am Frühstückstisch saß (unrasiert und verschlafen), aber meistens waren sie nichts weiter als erheiterndes Beiwerk in Ellens Leben gewesen: Die Frauen machten sich über ihre Marotten und ihr Äußeres lustig, und dann verschwanden sie auch schon wieder von der Bildfläche. (Mel hatte später, mit über fünfzig, dann doch noch geheiratet, einen schüchternen, rätselhaften Mann, der sie offenbar sehr glücklich machte und ihr viel persönlichen Freiraum ließ.)
    »Es war, als hätte ich drei Mütter gehabt«, erzählte Ellen den Leuten immer, »als ob ich in einer lesbischen Wohngemeinschaftaufgewachsen wäre«, und so war es auch. Drei erfolgreiche, eigenwillige, ledige Frauen hatten sie gemeinsam erzogen.
    Später ließ sie diesen Satz, den sie für gebildet und scharfsinnig gehalten hatte, weg. Sie fand die Bemerkung Lesbierinnen gegenüber irgendwie respektlos, sie hatte ja auch keine Ahnung, wie es in einer lesbischen Wohngemeinschaft zuging oder ob es so etwas überhaupt gab.
    »Mein Vater war im Grunde nur ein Samenspender – und er hat es nicht mal gewusst.« Mit diesem Satz beendete Ellen ihre Geschichte jedes Mal. Normalerweise entspann sich danach eine angeregte Unterhaltung. Die Leute sagten Dinge wie: »Ah! Daher hast du also dein Hypnosedingsbums – von deinem spirituellen Vater und deiner Tarot legenden Großmutter!« Jeder dachte, er sei der Erste, dem das aufgefallen war. Einige fanden beifällige Worte für Annes Entschluss, andere drückten mehr oder weniger höflich ihr Missfallen aus.
    Ellen störte das nicht. Sie war sich selbst nicht sicher, was sie davon halten sollte, aber sie wusste, dass es ihrer Mutter völlig egal war, was andere dachten. Und Ellen hatte die Geschichte ihrer Zeugung mittlerweile so oft erzählt, dass sie ausreichend Distanz dazu gewonnen hatte. Mit ihrer Geschichte verhielt es sich ähnlich wie mit Julias Geschichte über einen erbitterten Sorgerechtsstreit zwischen ihren Eltern, in dessen Verlauf ihr Vater sie und ihren Bruder entführt und beiden die Haare braun gefärbt hatte. Sogar eine aufregende Verfolgungsjagd auf der Flucht vor der Polizei gehörte dazu. Diese Erinnerung musste früher Emotionen in Julia geweckt haben – was sie auf einer unbewussten Ebene wahrscheinlich immer noch tat –, aber inzwischen war sie einfach nur eine fantastische Geschichte. Ein Partyknüller.
    Patrick hatte aufmerksam zugehört, als Ellen ihm ihre Geschichte erzählte, und dann gemeint: »Das ist zwar schön für deine Mutter, aber es tut mir leid für dich, dass du ohne Vater aufgewachsen bist.«
    »Man kann nicht vermissen, was man nicht kennt«, erwiderteEllen. Eigentlich glaubte sie selbst nicht, was sie da sagte, aber sie hatte als Kind nie in ihr Kissen geschluchzt und sich nach ihrem »Daddy« verzehrt. »Vielleicht wäre es etwas anderes gewesen, wenn ich ein Mann wäre.«
    »Auch Töchter brauchen ihren Vater«, antwortete Patrick ernst.
    In diesem Augenblick hatte sie

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