Alles aus Liebe: Roman (German Edition)
interessant und komisch dieser ganze Hypnosekram war, und dann, wenn wir zu Hause gewesen wären, hätten wir sie völlig vergessen sollen.
Sie ist wahnsinnig nett, aber sie ist wie Cameron Diaz, Patrick. Sie sollte keine reale Person in unserem Leben sein. Sie hat nichts mit uns beiden zu tun.
Auf dem Weg zu Ellens Mutter fuhr Patrick. Er war der Typ Mann, der selbstredend davon ausging, dass er sich hinters Steuer setzte, was Ellen, die eine unsichere Fahrerin war, ganz recht war. Jon hatte immer peinlich genau darauf geachtet, dass sie sich beim Fahren abwechselten. »Du bist dran«, hatte er gesagt und ihr dieAutoschlüssel zugeworfen. Und dann hatte er danebengesessen und geseufzt und geschnaubt und ununterbrochen an ihrer Fahrweise herumgenörgelt.
»Deine Mutter hat nach deinem Vater also keinen passenden Mann mehr kennengelernt«, sagte Patrick. »Herrgott, ist das ein Verkehr!« Er trat hart auf die Bremse, und der Wagen kam mit einem scharfen Ruck zum Stillstand. »Entschuldige.«
Er war ganz offensichtlich nervös.
Ein Jammer, dass Ellen ihn nicht mit Worten wie »Du wirst sehen, meine Mutter wird ganz begeistert von dir sein« beruhigen konnte. Es war unwahrscheinlich, dass ihre Mutter von Patrick begeistert war. Von Ellens Partnern hatte sie Jon mit seinen witzigen, sarkastischen Bemerkungen am liebsten gemocht. Wie hätte es auch anders sein können. Jon war derjenige gewesen, der Ellens Selbstachtung am nachhaltigsten geschädigt hatte, derjenige, den sie geliebt, der ihre Liebe aber nicht im gleichen Maße erwidert hatte.
Sie wünschte, sie hätte eine dieser liebenswerten, rundlichen, schwatzhaften Mütter, die über Politik und Wirtschaft und alles außerhalb ihres häuslichen Bereichs eher vage Ansichten hatten. Sie wünschte, sie hätte einen grauhaarigen, bebrillten Vater, der Patrick mit herzlichem Händedruck begrüßen und ihn von Mann zu Mann über seine Arbeit als Vermessungsingenieur ausfragen würde, während die liebenswerte Mutter geschäftig herumwuselte und ihre »Männer« dazu bringen wollte, ein zweites Stück Käsekuchen zu essen.
Aber so würde es ganz bestimmt nicht werden.
»Mum hat im Lauf der Jahre ein paar langfristige Beziehungen gehabt«, sagte Ellen. »Aber die letzte ist jetzt schon eine Weile her.«
»Und von deinem Vater keine Spur?«
»Nicht die geringste«, antwortete Ellen. Sie verspürte einen Anflug von Gereiztheit. »Wie gesagt.«
Sie hatte ihm ihre Familiengeschichte erzählt. Mit der Zeit hatte sie diese Geschichte perfektioniert, sodass sie sich wunderbarals Anekdote auf einer Party oder bei einem Essen eignete – ungewöhnlich und spannend und persönlich, nicht zu lang, ohne Peinlichkeiten, die die anderen Gäste unangenehm berühren könnten.
Ellen begann ihre Geschichte immer mit dem gleichen Satz: »Meine Mutter war ihrer Zeit voraus.« Dann erklärte sie, dass Dr. Anne O’Farrell, eine äußerst pragmatische Frau, eines Tages den Vorsatz gefasst habe, eine ledige Mutter zu werden. Sie war Anfang dreißig, erfolgreich und unabhängig, und obwohl sie nicht unbedingt den Wunsch zu heiraten hatte, wünschte sie sich (komischerweise) ein Kind. Gemeinsam mit ihren beiden engsten Freundinnen erstellte sie eine Liste potenzieller Kandidaten, die als Erzeuger für das Kind infrage kamen, inklusive ihrer positiven und negativen Eigenschaften: Ausbildung, medizinische Vorgeschichte und Charaktereigenschaften.
Anne hatte diese Listen aufgehoben und Ellen gegeben, als sie ein Teenager war. Ihr »Vater« war eine Auflistung von Punkten, notiert in der krakeligen Handschrift ihrer Mutter, mit einer eingekreisten »85%« daneben. Das waren zehn Prozent mehr als der zweitbeste Kandidat.
Zu seinen positiven Eigenschaften gehörten ein abgeschlossenes Studium (er war Chirurg; Anne hatte ihn auf der Universität kennengelernt), gute Zähne, kleine Ohren (ihre Mutter verabscheute große Segelohren), ausgezeichnete Haut, keine Herz- oder Atemwegskrankheiten, kein Diabetes in der Familie sowie gute soziale Kompetenz.
Unter seinen negativen Eigenschaften waren schlechte Augen (Brillenträger), spirituelle Neigungen (Mutter, die Tarot legt), ein etwas seltsamer Sinn für Humor und verlobt aufgelistet.
Seit ein paar Jahren ließ Ellen das »verlobt« weg. Sie wusste nicht, ob die Welt insgesamt moralischer wurde – eine Art globales Prüderiewachstum – oder ob nur ihr eigener Bekanntenkreis konservativer zu werden schien.
Dass ihr Vater verlobt war und
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