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Alles aus Liebe: Roman (German Edition)

Alles aus Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Alles aus Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Moriarty
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unserem letzten gemeinsamen Sommer hatten wir diesen Weißwein auf einem Ausflug ins Hunter Valley entdeckt. Wir kauften eine ganze Kiste davon und wurden regelrecht süchtig danach. Er könnte niemals diesen Wein trinken, ohne dabei an mich zu denken. Als ich an jenem Abend vor seinem Büro wartete, sah ich, wie eine seiner Mitarbeiterinnen mit meiner Weinflasche zu ihrem Auto ging. Ich wusste, dass es meine Weinflasche war, weil ich sie in blaues Geschenkpapier gewickelt hatte. Er hatte die Flasche nicht einmal ausgepackt. Er hat sie einfach dieser Frau gegeben.
    Ich versuche mir vorzustellen, mit welchen Worten er mich der Hypnotiseurin beschreibt. Wie er mich Ellen beschreibt . Wahrscheinlich nennt er mich eine Psychopathin. Das hat er mir einmal ins Gesicht geschrien. Ich ging hinter ihm, als er einkaufen ging, und plötzlich wirbelte er herum und marschierte geradewegs auf mich zu. Ich blieb stehen und lächelte. Er lächelte auch. Ich dachte, wir würden endlich ein vernünftiges Gespräch führen können. Aber als er näher kam, sah ich, dass sein Lächeln vor Wut und Verachtung verzerrt war. Er hob drohend seinen Zeigefinger vormein Gesicht und brüllte: »Du bist eine Verrückte, eine Psychopathin!«
    Unter anderen Umständen wäre das vielleicht sogar komisch gewesen, aber in dem Augenblick hatte ich Angst, er würde mich schlagen.
    Er zitterte regelrecht vor Wut.
    Irgendwie habe ich mir sogar gewünscht, er würde mich schlagen. Er musste mich einfach schlagen. Wenn er mich schon nicht mehr in seinen Armen hielt, dann konnte er mich wenigstens schlagen. Dann spürte ich wenigstens wieder seine Berührung.
    Aber er tat es nicht. Er verschränkte seine Hände im Genick und ruckte mit dem Kopf hin und her wie ein autistisches Kind. Ich wollte ihn trösten. Warum regte er sich denn so auf? Ich war es doch nur. Das konnte er einfach nicht begreifen. Ich sagte: »Liebling.«
    Er ließ seine Hände sinken, seine Augen waren gerötet und feucht. »Ich bin nicht dein Liebling«, sagte er und ging weiter, und ich blieb stehen und betrachtete den Aushang mit den Sonderangeboten im Fenster des Geschäfts, wo wir uns sonntagabends immer fish and chips geholt hatten.
    Das ist das Problem: Ich bin jetzt als Verrückte abgestempelt. Er wird mich immer als Verrückte sehen. Früher hat er gesagt, ich sei eine »Ulknudel« und ich hätte »wunderschöne Augen« und ich sei »einer der großzügigsten Menschen, denen ich je begegnet bin«. Ja, das alles hat er irgendwann einmal zu mir gesagt, und er hat es damals auch so gemeint.
    Aber jetzt bin ich nur noch verrückt.
    Die einzige Möglichkeit, nicht als verrückt zu gelten, wäre, aus seinem Leben zu verschwinden. Wie man das von einer anständigen Exfreundin erwartet.
    Und das wiederum macht mich verrückt.
    Ellen bemerkte, wie Patricks »Kampf-oder-Flucht«-Reflex an der Türschwelle zum Haus ihrer Mutter einsetzte.
    Mein armer Schatz, dachte sie mitfühlend. Sie wusste noch, wie sie Jon ihrer Mutter vorgestellt hatte, wie er sich träge, unter halb geschlossenen Lidern hervor umgeschaut hatte, keine Sekunde an seiner Überlegenheit zweifelnd. Patricks klare grüne Augen hingegen huschten hin und her, als suchten sie Fluchtwege, und er räusperte sich ständig.
    Es war ihm wichtig, was Ellens Mutter von ihm dachte. Und das bedeutete, dass Ellen ihm wichtig war.
    Der Ärmste. Verständlich, dass er nervös war. Die meisten Männer wären von einer solchen Situation eingeschüchtert. Jon war die Ausnahme von der Regel gewesen.
    Drei ungemein elegante, ungemein selbstbewusste Frauen in den Sechzigern erwarteten ihn, alle hielten den dünnen Stiel ihres Weinglases vornehm mit den Fingerspitzen, alle waren seltsamerweise fast vollständig in Weiß gekleidet, als wollten sie Annes ganz in Weiß gehaltene Einrichtung – weiße Sofas, weiße Wände, weiße Dekoration – ergänzen, alle rutschten von den Barhockern, auf denen sie gesessen hatten, um Patrick auf beide Wangen zu küssen. Und Patrick, der damit rechnete, nur auf eine Wange geküsst zu werden und ständig die falsche hinhielt, musste unbeholfen in die Knie gehen, weil er zu groß für die drei Frauen war.
    »Warum tragt ihr denn alle Weiß?«, wunderte sich Ellen. »Man kann euch ja kaum von den Möbeln unterscheiden.«
    »Wir konnten es auch nicht glauben, als wir uns gesehen haben«, gluckste Pip.
    »Wir sehen aus wie die verlassenen Ehefrauen in diesem Bette-Midler-Film, Der Club der Teufelinnen «, sagte Anne.

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