Alles aus Liebe: Roman (German Edition)
sich noch ein bisschen mehr in ihn verliebt und sich vorgestellt, wie er zärtlich ein Baby, ein kleines Mädchen (ja, schon gut, ihr kleines Mädchen), auf dem Arm hielt, wie ein Mann in einem Werbespot für Babypuder.
Und jetzt sagte er: »Und von deinem Vater keine Spur?«, als hätte er ihr überhaupt nicht zugehört, als hätte er ihre Geschichte vor vielen Jahren auf einer Dinnerparty gehört und könne sich nicht mehr an Einzelheiten erinnern. Ellen war bitter enttäuscht. Wieder verspürte sie dieses beklemmende Gefühl, das leichte Übelkeit in ihr auslöste. Was, wenn sie sich nur wünschte , Hals über Kopf in diesen Mann verliebt zu sein? Was, wenn alles nur ein gigantischer Selbstbetrug war? Was, wenn er in Wirklichkeit nichts weiter als ein oberflächlicher, egoistischer Arsch war?
Hätte sie ein besseres Rüstzeug für die Auswahl der richtigen Männer besessen, wenn sie mit einem Vater aufgewachsen wäre? Wahrscheinlich. Ziemlich sicher sogar. Nachdem ihre Mutter ihre Ankündigung, sich auf die Suche nach ihrem Vater zu machen, nicht ernst genommen hatte, hatte Ellen sich über die Gefühlswelt vaterloser Töchter informiert und demonstrativ Fotokopien in der Wohnung liegen lassen, deren relevante Passagen mit gelbem Textmarker hervorgehoben waren.
»Und was genau soll ich deiner Meinung nach jetzt tun?«, hatte ihre Mutter gesagt. »Die Uhr zurückdrehen und nicht mir dir schwanger werden?« »Dich schuldig fühlen«, hatte Ellen erwidert.
Anne hatte nur gelacht. Schuld kam in ihrem emotionalen Lexikon nicht vor.
»Entschuldige«, sagte Patrick. Die Ampel schaltete auf Grün, und der Wagen fuhr an. »Ich weiß ja, dass du deinen Vater nicht kennst. Ich bin bloß nervös. Mir ist, als müsste ich zu einem Vorstellungsgespräch, und Vorstellungsgespräche liegen mir überhaupt nicht, vor allem, wenn ich die Stelle unbedingt haben will.«
Ellen warf ihm einen Seitenblick zu. Ein Ausdruck erschrockener Verletzlichkeit huschte über sein Gesicht. Eine Sekunde lang sah er genauso aus wie sein Sohn.
»Wenn ich nervös bin, rede ich immer solchen Mist zusammen.« Er guckte in den Rückspiegel und machte ein finsteres Gesicht. »Außerdem ist unsere Freundin wieder da, das bringt mich zusätzlich aus dem Konzept.«
»Welche Freundin?«
»Die Kaninchenmörderin. Sie ist hinter uns.«
»Was? Saskia verfolgt uns?« Ellen fuhr herum und musterte die Autos hinter ihnen. »Wo? Was für ein Auto fährt sie?«
»Das ist großartig. Wirklich fantastisch«, knurrte Patrick. »Von der Ex verfolgt zu werden, wenn man die Familie seiner Freundin kennenlernen wird. Genau das, was ich jetzt brauche.«
»Ja, ja, welches Auto? Wo ist sie?« Der Sicherheitsgurt schnitt Ellen in den Hals. Unmittelbar hinter ihnen fuhr ein Lastwagen, der Fahrer hatte die Augen geschlossen und schlug mit der Hand gegen das große Lenkrad, seine Lippen bewegten sich zum Text eines Lieds.
»In der Spur neben uns, ein paar Autos weiter hinten«, antwortete Patrick. »Keine Sorge, ich werde sie abhängen.«
Er trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch, und der Wagen schoss vorwärts. Als Ellen sich umdrehte, konnte sie gerade noch sehen, wie die Ampel auf Rot sprang. Sie blickte wieder nach hinten. Während sie über die Kreuzung rasten, mussten die anderen Autos an der roten Ampel halten.
»Was für eine Farbe hat ihr Auto?«, drängte sie verzweifelt. »Nun sag schon!«
»Ich hab sie abgeschüttelt«, freute sich Patrick. »Es geht weiter, siehst du?«
»Toll«, brummte Ellen und rieb sich ihren schmerzenden Hals.
Ich hatte sie an der Ampel verloren, und ich hatte nicht die geringste Ahnung, wo sie hinfuhren.
Vielleicht trafen sie sich irgendwo mit Freunden von ihr. Patrick hat keine Bekannten in dieser Gegend.
Ich habe gesehen, wie sie sich umgedreht hat. Meinetwegen? Wollte sie wissen, wie ich aussehe? Patrick muss gemerkt haben, dass ich hinter ihnen bin. Ich weiß, wenn er es weiß, weil er dann schneller als sonst und ohne Ziel durch die Straßen fährt. Manchmal zeigt er mir den Mittelfinger. Einmal habe ich gesehen, wie er von der Polizei angehalten und verwarnt wurde, weil er auf der Flucht vor mir verbotenerweise nach rechts abgebogen ist. Ich hatte ein schlechtes Gewissen deswegen, weil er immer so stolz darauf war, in über zwanzig Jahren nicht einen einzigen Strafzettel bekommen zu haben. Als Entschuldigung habe ich ihm eine Flasche Wein ins Büro geschickt. Einen ganz besonderen Wein: einen Pepper-Tree-Weißen. In
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