Alles aus Liebe: Roman (German Edition)
verstehen. Dir sind nie verrückte Gedanken durch den Kopf gegangen.
Und deshalb habe ich mich krank gemeldet und bin an den Strand gefahren, um surfen zu lernen.
Es war schwerer, als ich gedacht hatte. Das Brett war schlüpfrig.Warum war es nur so schlüpfrig? Ich schaffte es nicht, oben zu bleiben. Ich rutschte immer wieder herunter. Bei anderen hatte das immer so leicht ausgesehen. Mich packte die Wut, ich fluchte. Nicht einmal das Bodyboard will mich, dachte ich.
Als es mir endlich gelungen war, das Brett unter meinem Bauch zu halten, erwischte ich keine Welle, weil mein Timing einfach lausig war. Ich dachte: Jeder Sechsjährige kann das, warum ich nicht? Was stimmt bloß nicht mit mir?
Ich dachte: Andere finden einen Partner und kriegen Kinder und gründen eine Familie, warum ich nicht? Was stimmt bloß nicht mit mir?
Ich dachte: Andere sind doch auch nicht von ihrem Expartner besessen, warum ich? Was stimmt bloß nicht mit mir?
Am liebsten hätte ich das Bodyboard in einem Anfall von kindischem Trotz den Wellen übergeben, sollte es doch wegtreiben, aber das wäre Verschwendung gewesen, und ich schämte mich sowieso schon, weil ich blaugemacht hatte.
Als ich schniefend und frierend und schlecht gelaunt, weil ich das blöde Brett nicht einmal mühelos unter den Arm geklemmt kriegte, zu meinem Auto zurückstapfte, kam mir der Wuschelkopf entgegen, der Typ, der mich gesehen hatte, als ich in meinem roten Partykleid am Strand eingeschlafen war. Er ging Richtung Wasser, sein Brett mühelos unter den Arm geklemmt.
»Wie ist die Brandung?«, fragte er.
»Blöd«, erwiderte ich, ohne stehen zu bleiben.
Ich hatte gerade mein Auto erreicht, als mein Handy klingelte.
Es war die Hypnotiseurin.
Es war das erste Mal, dass Ellen und Patrick zusammen flogen, daher waren beide gesprächiger und aufgeregter, als sie es normalerweise gewesen wären. Sie fingen an zu kichern und konnten nicht mehr aufhören, als eine Flugbegleiterin mit besonders grimmiger Miene die Sicherheitshinweise erläuterte. Die anderen Passagiere schienen das keineswegs so komisch zu finden. Die Romane,die Ellen und Patrick als Reiselektüre gekauft hatten, blieben die meiste Zeit auf ihrem Schoß liegen, aufgeschlagen, mit den Seiten nach unten. Sie unterhielten sich lieber.
Vor allem Patrick war glänzender Laune.
»Ich hab dich nicht einmal gefragt, ob du schon mal in Noosa warst«, meinte er, als die Maschine startete.
»Nein, noch nie«, antwortete Ellen. »Und du?«
»Einmal. Ich habe Saskia dort kennengelernt.«
Ausnahmsweise sprach er von ihr, als wäre sie nichts weiter als ein ganz normales Mädchen.
»Und wie habt ihr euch kennengelernt?«, fragte Ellen betont beiläufig.
»Wir nahmen beide an einer Konferenz teil. Sie ist Städteplanerin, habe ich das erwähnt? Ich saß bei einem Vortrag neben ihr. Das ist wirklich komisch, aber damals hatte ich das Gefühl, nicht ganz bei Verstand zu sein, wahrscheinlich, weil ich mich nach Colleens Tod noch in einem Schockzustand befand, und Saskia kam mir so vernünftig vor. Ihre große Leidenschaft waren Wanderungen im Busch, und sie nahm mich mit auf ihre langen Touren durch den Nationalpark. Ich hatte eine Ewigkeit keinen Sport mehr getrieben, und plötzlich arbeitete mein Herz auf Hochtouren, und meine Lungen füllten sich mit Luft, und beim Anblick dieser atemberaubenden Szenerie kam mir der Gedanke, dass ich vielleicht doch wieder glücklich werden könne.«
»Endorphine«, sagte Ellen. »Wir werden am Wochenende ein paar schöne lange Spaziergänge machen.«
Und wenn du so richtig vollgepumpt bist mit Endorphinen, werde ich dir von dem Baby erzählen.
»Ja, das wäre schön. Eine Zeit lang sind Saskia und ich jedes Wochenende wandern gegangen, aber dann machte ihr Bein auf einmal nicht mehr mit. Sie konnte nicht einmal mehr kurze Strecken zurücklegen, ohne Schmerzen zu bekommen. Das machte ihr schwer zu schaffen.«
»Was war denn mit ihrem Bein?«, fragte Ellen. Die Geschichtekam ihr seltsam bekannt vor. Hatte Patrick ihr schon einmal von Saskias Bein erzählt? Nein, daran könnte sie sich bestimmt erinnern. Sie speicherte sorgfältig alle Informationen, die sie von ihm über Saskia bekam.
»Das konnte ihr keiner sagen. Sie ging von einem Arzt zum anderen, suchte Physiotherapeuten und Fachärzte auf, aber niemand fand die Ursache heraus. Als ein Spezialist meinte, ihre Beschwerden seien psychisch bedingt, wurde sie so wütend, dass sie aus der Praxis stürmte.«
Ein
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