Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)
mehr, bei mir liegt es aber an den Wechseljahren! Mein Mann kann das Wort ›Hitzewallung‹ nicht mehr hören, sagt er! Dabei finde ich Hitzewallungen toll. Endlich keine kalten Füße mehr!«
Ich fand, die beiden Damen nahmen das Thema zu wenig ernst.
»Ich habe ja nichts gegen die Offenheit unserer emanzipierten Frauengeneration, aber muss man in Anbetracht solch unerotischer Einzelheiten, die die Wechseljahre nun mal mit sich bringen wie Gewichtseinlagerungen in der Taille…«
»Genau!«, jubelte Doro, »wir entwickeln uns alle früher oder später zum Kastenbrot! Ist das nicht ulkig? Erst ist 90-60-90 das Maß aller Maße, und dann ist es 104-105-104! So ist das eben.«
Sie klopfte sich vor Lachen auf die Schenkel. Ich ignorierte ihre Bemerkung und vervollständigte humorlos mein persönliches Horrorszenario: »… Haarausfall, Osteoporose, Orangenhaut, trockene Schamlippen … muss man sich diese Dinge ständig vor Augen halten?«
Schwester Inge tippte angesichts meiner Reizbarkeit hektisch auf der Tastatur, während Doro mich anschnauzte: »Frau Comedy, Sie sind ja zähklebrig! Regen Sie sich doch nicht so auf, wenn es Sie noch gar nicht betrifft. Gabi geht locker damit um. Als wir zusammen essen waren, lief sie plötzlich tiefrot an wie ein Hummer, wedelte sich mit der teuren Menükarte Frischluft zu und konnte sich über die groteske Situation einer Hitzewallung im Edelrestaurant sehr amüsieren!«
»Ich sollte mich wirklich nicht über ungelegte Eier aufregen!«, sagte ich gereizt, tat aber versöhnlich. Während die letzten Energietropfen in meinen Arm flossen, berichtete ich Doro von meiner Botox-Erfahrung. Natürlich registrierte ich, wie sie bewundernd meine Stirn betrachtete und dass ihr glockenklares Lachen bei meinem Bericht über Pfeiffer-Plönsgen durch die Praxisräume schallte. Dass sie aber, als ich fertig war, in einen Lachkrampf mit Schnappatmung verfiel, blieb mir ein Rätsel, bis sie mit erstickter Stimme sagte: »Und du meinst nicht, dass der Besuch beim Schönheitschirurgen ein Zeichen für eine perimenopausale Depression ist?« Ich schwieg beleidigt.
Nachdem uns Schwester Inge abgekabelt hatte, bat ich die so extrem lustige Doro kurz angebunden nur noch darum, Carsten nichts von meiner glatten Stirn zu erzählen, und verfluchte innerlich alle Optiker dieser Welt und meine Mutter.
***
Zu Hause wartete an jenem Tag Carsten mit dem Essen auf mich. Mein Ärger über Doro und die Wechseljahrs-Diskussion war beim Anblick meines schönen Mannes sofort verflogen. Seit meiner Pfeiffer-Plönsgen-Straffung saßen Carsten und ich uns zum ersten Mal bei Tageslicht einander gegenüber. Während ich gierig kaute, beobachtete ich ängstlich den Blick meines Botox-Gegners. Wenn er mir mein kleines Geheimnis von der Stirn ablesen würde, wäre der Nachmittag gelaufen. Wenn nicht, würde ich die libidosteigernde Wirkung meines Vitamincocktails zu nutzen wissen. Schaute mich Carsten anders an als sonst? Ruhten seine Augen prüfend auf meiner Stirn?
»Warum guckst du mich so komisch an? Habe ich was im Gesicht?«, fragte mich Carsten verunsichert.
»Nein, gar nicht. Ich gucke nicht anders als du. Habe ich denn was im Gesicht?«
»Nein, du siehst toll aus, wie immer!«
Ich lächelte ihn erleichtert an. Das Ziel einer teuren Faltenunterspritzung ist natürlich, dass das sprunghaft verjüngte Äußere von anderen wahrgenommen wird. Aber im Fall Carsten war ich ganz froh, dass er es zumindest nicht direkt bemerkte. Er war großartig in seiner verliebten Blindheit. Ja, dachte ich, schlecht sehen zu können ist manchmal von Vorteil. Es verhindert die Wahrnehmung der Realität in unbefriedigender Deutlichkeit, oder anders gesagt, es schützt vor der Konfrontation mit dem körperlichen Verfall des geliebten Partners. Schlecht zu sehen hat den gleichen Effekt wie sich jemanden schön zu saufen. Insofern, rechtfertigte ich mich, war meine Angst vor der anstehenden Lieferung von Carstens neuer Brille durchaus berechtigt.
***
Anfang März, genau zwanzig Tage nach der Bestellung, traf die Gleit- und Ehrlichsichtbrille per Post bei uns ein. Mein Jungpresbyop lief, geschmückt mit seiner neuen Intelligenzprothese, stolzen und aufrechten Ganges vor meiner Country-Küchenzeile auf und ab. Er streckte die Brust raus, schlenkerte lässig mit den Armen und blieb nach einer halben Drehung vor mir stehen. Mein Model-Maulwurf lächelte selbstbewusst, er wirkte intellektuell und doch lässig.
»Siehst gut aus!«,
Weitere Kostenlose Bücher