Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)
liegt die Verpackung des Schmerzmittels, das Carsten heute vom Neurologen verschrieben bekommen hat. Ich fummle den Beipackzettel auseinander und lese, dass das verschriebene Arzneimittel zur Gruppe der Opioide zählt und ein rascher Wirkungseintritt Übelkeit und Erbrechen sowie Halluzinationen und Desorientierung begünstigt.
Opioide? Halluzinationen? Was bedeutet das? Muss ich jetzt bis zur Klärung der Diagnose mit einem Carsten klarkommen, der rosa Häschen sieht und debil grinst, weil der Rausch so schön ist? Ich ziehe kurzzeitig einen klärenden Anruf bei meiner Schwester in Erwägung, verwerfe den Plan aber schnell wieder. Alexandra hätte zwar das Fachwissen, würde mich aber trotzdem mit den schlimmsten Folgen dieses Schmerzmittels konfrontieren. Ich tippe mal auf Überdosierung mit Todesfolge. Warum neigt meine Schwester eigentlich immer zum Extremen? Die schärfste Story hatte sie sich mit ihrem Ex aus dem Netz, nicknamens »EQUIVOCAL«, geleistet.
***
Es war genau der Tag, an dem ich mich aufgrund der aphrodisierenden Wirkung des Vitamincocktails schon mittags an Carsten vergehen wollte.
Beim Mittagessen spürte ich, wie Carstens Kochkünste mein Herz zum Hüpfen brachten, und lächelte meinen Prinzen vielversprechend an. Weil weder meine beim Abräumen schwungvoll bewegten Hüften noch mein gieriger Blick ihn dazu animierten, mir meine Klamotten vom Leib zu reißen, um mich auf dem Küchenfußboden zu lieben, und er sich stattdessen mit einem feuchten Kuss auf die Stirn in sein Arbeitszimmer verabschiedete, plante ich nun aber für den Abend eine große Verführungs-Show.
Gerade träumte ich von wildem, lang anhaltendem und schmutzigem Sex, als ich unerwartet durch stürmisches Klingeln aus meinen einsamen erotischen Fantasien gerissen wurde. Als ich die Wohnungstür öffnete, stand dort wutschnaubend meine Schwester und wedelte mit einem Briefkuvert. Bei ihrem Anblick erstarb in mir jeder Gedanke an unanständige Liebesspiele. Ich erkannte bereits an Alexandras Gesichtsausdruck, dass größere Probleme gelöst werden mussten.
»Komm doch erst mal rein, Alu!« Ich zog sie hinter mir her in die Küche.
»Stell dir mal vor, hat doch dieser Blödbär von EQUI seine Anwälte auf mich gehetzt!« Alu riss ihre Augen voll Empörung so weit auf, dass sie so rund und durch ihre obligatorischen Augenschatten so schwarz umrandet wirkten, wie bei einem Plumplori. Plumploris sind eine Primatengattung, die in Südostasien und im Berliner Zoo lebt. Sie sind wie Alexandra nachtaktiv und haben große, kullerrunde schwarze Augen. Im Gegensatz zu meiner Schwester sind sie aber sehr langsam, ruhig und ausgeglichen.
Ich nutzte die kurze Pause, in der wir uns an den Tisch setzten, um meinen ersten Schock über diese Nachricht zu verarbeiten.
»Warum sollte er das tun? Er war doch derjenige, der nichts mehr mit dir zu tun haben wollte?«
Alexandra nestelte das Schriftstück aus dem Umschlag, faltete es auf und legte es vor mich auf den Tisch. »Das hier ist die Unterlassungserklärung, die soll ich unterschreiben, sonst wird’s teuer für mich! Er behauptet, dass ich ihn willentlich und beharrlich verfolgen und belästigen würde und damit seine physische oder psychische Unversehrtheit unmittelbar bedrohen und schädigen könnte.«
Carsten betrat gerade meine Küche, um sich einen Kaffee zu machen. Er musste die letzten Worte meiner Schwester gehört haben, jedenfalls schaute er uns halb amüsiert und halb schockiert an.
»Hallo Schwägerin! Was ist passiert? Was hast du wieder Verrücktes gemacht?«
Alexandra antwortete auf Carstens Frage, während ich ihren Brief griff und versuchte, das Anwaltsdeutsch zu verstehen: »Ich habe ihm einfach klargemacht, was er für ein heimtückischer, hinterhältiger Typ ist!« Meine Plumplori-Schwester kniff bei diesem Satz die Augen zusammen und verwandelte sich in eine asiatische Hyäne.
»Hier steht aber, dass du es unterlassen sollst, seiner Freundin zu nahe zu kommen, ihn mit E-Mails und Telefonaten zu belästigen, und dass du nicht mehr vor seinem Haus parken sollst!«, mischte ich mich ein.
»Das ist mein gutes Recht. Ich kann parken, wo ich will!«
Ich las gerade, dass Alexandra ihm gedroht hatte, ein Plakat aufzuhängen, auf dem sie die Welt über seine Fremdgeherei informieren wollte und konnte nicht anders: Ich musste laut und hemmungslos lachen.
»Alu, du bist ein Stalker! Unglaublich!«, kreischte ich fast hysterisch. Carsten und meine Schwester schauten mich
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