Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)
schnell, und wich meinem Wurfgeschoss aus. Die Kerze traf die Wand und ein Bild fiel scheppernd auf den mit grünem Nadelfilz ausgelegten Fußboden. Heinz hatte sich in die hinterste Ecke des Zimmers verzogen, und langsam kam auch Dauerwelle zu sich. Ich bemerkte es an ihren zuckenden Augenlidern. Sie bewegte sich nicht. Also griff ich nach den verfilzten Haaren und zog daran. Mit einem Schrei saß sie auf der Bettkante. »Heinz, hilf mir, diese Frau ist ja brutal!«
Ich hielt sie immer noch am strohigen Schopf, und sie versuchte nach mir zu schlagen. Ich ließ sie los, bedachte den immer noch nackt in der Ecke kauernden Heinz mit einem müden Lächeln und ging ins Wohnzimmer. Dort standen ein übervoller Aschenbecher auf dem Tisch und verschiedene Flaschen hochprozentigen Gesöffs auf dem Fußboden. Dazwischen häufchenweise Klamotten von Dauerwelle. Ich sammelte diese ein, ging in den Flur, griff die ekelhaft nach Kneipe riechende rosa Jacke und schmiss alles zusammen aus dem Küchenfenster.
»Hey, ich habe dir deine Klamotten schon mal zurechtgelegt!«, rief ich durch die Schlafzimmertür. Dauerwelle kam nackt in den Flur. Mit ihrem verschmierten Make-up sah sie aus wie eine torkelnde Eule.
»Danke!«, sagte sie und kam auf mich zu. Ich öffnete ihr die Wohnungstür. »Sie liegen im Hof. Die Hoftür ist offen!« Dann schob ich sie in den dunklen und kalten Hausflur und schloss die Tür.
***
So etwas will ich nie wieder erleben. Ich würde auch nie wieder versuchen, einem Mann so einen Fehltritt zu verzeihen. Weil es nicht geht. Nicht nur der Betrug an sich ist das Problem, sondern auch die gnadenlose Blödheit von Heinz, sich trotz der Vorankündigung meines Kommens erwischen zu lassen. Ich glaube, Heinz’ blutleeres Hirn war zwar nicht ausschließlich, aber zu großen Teilen seinem jugendlichen Alter geschuldet.
Mein Carsten wird mich nicht betrügen. Ihm ist Sex nicht »das Wichtigste«. Außerdem ist sein Alter von Vorteil, wegen des absinkenden Testosteronspiegels, wie ich von Ronny und aus der Apothekenumschau weiß. Die große Geilheit ist futsch. Fremdgehen macht unter diesen Bedingungen keinen Spaß mehr, denn neue Partner bedeuten immer auch neuen Stress.Deswegen verbanne ich vorerst mein Misstrauen gegen Carsten aus meinen Gedanken.
Ich schaue mir im Netz das Bild eines Erdmännchens an. Darunter steht: »Surikaten, auch › Erdmännchen ‹ genannt, gehören zur Familie der Mungos. Sie werden manchmal mit den Erdhörnchen verwechselt. Doch schon durch ihren kurzen, dünnen Schwanz sind sie eindeutig identifizierbar.« Dann suche ich ein Foto von einem Erdhörnchen, bin fasziniert von seinem buschigen Schwanz und entscheide spontan, Carsten fortan mit einem Hörnchen und nicht mit einem Männchen zu vergleichen.
Ich räume meinen Arbeitsplatz auf, koche zwei Tassen Kaffee, und genau als ich diese auf den Tisch stelle, kommt mein Erdhörnchen durch die Tür. Wir lümmeln uns aufs Sofa, und ich kraule synchron mit der Linken sein Haar im Nacken und mit der Rechten Prinzessin Chicas Bauch. Beide haben ganz weiche Haare.
»Süßer, stimmt’s, du betrügst mich nicht!«
»Warum sollte ich?«
»Weiß nicht. Im Religionsunterricht habe ich gelernt: Liebe, und du bekommst Liebe zurück! Das bedeutet für mich im Umkehrschluss, dass es mir schlecht geht, wenn ich glaube, du liebst mich mehr, als ich dich lieben kann«, versuche ich, den Grund meiner Ängste zu umschreiben, ohne auf sein eigenartiges Verhalten mit dem zu schnell beendeten Telefongespräch eingehen zu müssen.
»Ach, Süße.« Carsten beugt sich zum Tisch und entzieht sich damit meiner Kraulattacke. »Das mit der Liebe sehe ich genauso. Ein gesunder Egoismus ist die beste Voraussetzung für langanhaltende Liebe.«
»Liebst du mich?«
»Ja, sehr sogar. Auch wenn du immer über das Altwerden jammerst. Ich liebe jede Falte an dir und freue mich auf deine Wechseljahre, weil ich dann endlich die Klimaanlage im Auto anschalten kann, wenn du Hitzewallungen hast.«
»Meinst du, dann wird mir endlich warm?« Im Moment friere ich fast ständig.
»Ich hoffe, du gewöhnst dir dann auch die Macke mit der Sitzheizung im Sommer ab!«, lacht Carsten.
Ich lache glücklich mit, habe ich nach unserem kurzen Gespräch doch das Gefühl, dass mir mein Hörnchen auch mit einem überdurchschnittlich hohen Testosteronspiegel treu wäre und ich heute genau das Richtige getan habe.
Obwohl Carsten gar nicht weiß, dass ich heute den Termin, von dem er
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