Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)
quengelt sie. »Doch, das muss sein, sonst hindert mich später die Thrombosegefahr an langen Flügen. Und ich werde ein neues Küchensofa kaufen, das du dann nicht wieder zerkratzen kannst. Guck mal, wie viele Fäden du schon gezogen hast.«
Dann eile ich hochgradig motiviert und beschwingt an diesem neblig-grauen Wintertag Richtung Magistrat zum Standesamt. In der Stadtverwaltung Potsdam empfängt mich eine perfekt geschminkte Dame mittleren Alters. Auf einem Schild, das sie an ihrem Jackett trägt, lese ich »Standesamt – Frau Schick«. Zögerlich nehme ich ihr gegenüber auf einem Stuhl Platz, den sie mir mit großer Geste und feierlichem Gesichtsausdruck zugewiesen hat.
»Guten Tag, ich bin wegen meines Termins für die Eheschließung am 23. Januar auf den Namen Meissner hier!«
Die schicke Frau Schick, die eben noch ihre Papiere auf dem Schreibtisch ordnete, sieht mich erschrocken an, streift mit dem rechten Zeigefinger über ihre schwarzen, sehr dünn gezupften Augenbrauen und tippt dann ein wenig hektisch auf der Tastatur ihres Computers herum. Nach einem letzten Klick auf die Enter-Taste, verwandelt sich ihr eben noch verkniffener Gesichtsausdruck in einen entspannten Standesbeamten-Blick.
»Ja, Frau Meissner, zur Bestellung des Aufgebotes fehlen noch: der gültige Personalausweis oder Reisepass Ihres zukünftigen Mannes, die beglaubigten Ablichtungen der Geburtseinträge, erhältlich beim Standesamt des Geburtsortes. Nicht die Geburtsurkunden, Frau Meissner! Das ist etwas anderes. Dann die Bescheinigung aus dem Melderegister des Hauptwohnsitzes mit Angabe des aktuellen Familienstandes, die Eheurkunden der letzten Ehen, da Sie nach meinen Informationen beide geschieden sind. Und der Nachweis über die Auflösung der letzten Ehe, also ein rechtskräftiges Scheidungsurteil oder die Sterbeurkunde. Sollten Sie gemeinsame Kinder haben, dann brauche ich die Geburtsurkunden, die Urkunde über die Anerkennung der Vaterschaft, sofern der Vater nicht bereits in der Urkunde eingetragen ist, und die Urkunde über die Erklärung zur gemeinsamen Ausübung der elterlichen Sorge, sofern diese beim Jugendamt bereits begründet wurde. Haben Sie alles dabei?«
Ich bin nicht nur erstaunt, was sich Frau Schick alles merken und mit angetackertem Lächeln vortragen kann, sondern auch erleichtert, dass den Heiratswilligen dieses Landes wenigstens die Abgabe einer Stuhlprobe erspart bleibt und ich diesem bürokratischen Urkundenwust noch einmal entgehen werde.
»Nein, ich habe die Dokumente nicht dabei«, erwidere ich mit entschuldigendem Lächeln. »Ich möchte den Termin nämlich absagen.«
»Oh, das tut mir leid!« Mir wird bewusst, was sie in dem Moment denken muss. Ihr Gesicht ist wie ein Spiegel ihrer Gedanken. In ihren grünen, von fröhlichen Falten umrandeten Augen kann ich lesen, dass sie Mitleid empfindet. Ihre Erfahrung sagt ihr, dass vor ihr eine Frau sitzt, die von ihrem Bräutigam verlassen wurde und jetzt nicht nur den Hochzeitstermin absagen, sondern sich im fortgeschrittenen Alter noch einmal auf die Suche nach einem Neuen begeben muss. Das will ich keinesfalls auf mir sitzen lassen. In Potsdam spricht sich ein so delikates Gerücht sehr schnell herum.
»Sie müssen sich keine Sorgen machen, mein Lebensgefährte und ich lieben uns. Wir lieben uns so sehr, dass wir auch ohne Hochzeit glücklich sein können.«
Die Standesbeamtin blinzelt erst skeptisch, glättet wieder ihre Augenbrauen und seufzt erleichtert. »So«, sagt sie, während sie die Enter-Taste drückt, »der Eintrag ist gelöscht! Ich wünsche Ihnen viel Glück.«
An der Tür drehe ich mich noch einmal um, um mich von Frau Schick zu verabschieden. Sie lächelt mich an und sagt: »Wissen Sie, wenn man mit einem Mann gut auskommen will, sollte man vorher wissen, dass man auch ohne ihn auskommen könnte. Machen Sie es gut!«
Stolz und ziemlich erleichtert verlasse ich Frau Schicks Büro.Zu Hause angekommen, gehe ich an meiner Wohnungstür vorbei und schleiche die Treppen nach oben, schließe leise Carstens Wohnungstür auf und versuche, ihn mit lustigen Bauchtanzbewegungen in seinem Arbeitszimmer zu überraschen. Mit einem fröhlichen »Tralalalala!« betrete ich den Raum. In dem Moment, in dem mich mein ab sofort nicht mehr unter Heiratsdruck stehender Lebensgefährte erblickt, nimmt er erschreckt sein Handy vom Ohr. Ich tänzle dem aufrecht hinter dem Schreibtisch stehenden Erdmännchen entgegen.
»Hallo Carsten!«
Statt mir wie sonst in
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