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Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)

Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)

Titel: Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Götting
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dieser Susanne verstehen.
    »Bürgermeister«, sagt Willi, »ist er auch nur hier bei uns. Drüben in der Zona Saturno hat er nichts zu sagen.«
    Ich bin beruhigt, es gibt also auch noch italienisches Leben auf diesem Campingplatz. Massimo hatte bei unserer Ankunft erzählt, dass nach dem Ende von Ferragosto , den landesweiten Ferien, der Platz nur mehr zu einem Viertel belegt sei. Und etwa 80 Prozent der Gäste sich in unsere Ecke quetschen. Also viel zu tun für den Bürgermeister.
    Gerade erst hat er bei der Campingplatz-Verwaltung durchgesetzt, dass etwa alle 50 Meter kleine Spender aufgestellt wurden, aus denen sich Hundehalter diese Kacka-Tüten rausnehmen können. Vorausgegangen war ein gut zweijähriger Streit, in dessen Verlauf er Unterschriften für ein totales Hundeverbot im Grande Paradiso gesammelt hatte. Die Tüten waren der kleinste gemeinsame Nenner, bevor man einen Vermittlungsausschuss hätte bilden müssen.
    Zu seiner Funktion war dieser Helmut durch Zufall gekommen. Weil er in all den Jahren wirklich jedem ohne Bevollmächtigung Vorschriften gemacht hat, haben sie ihn irgendwann Bürgermeister genannt.
    »Das Problem ist«, sagt Willi, »er nimmt das ernst.«
    »Und auf eins kannst du dich verlassen«, sagt Rita, »der wird dir den Urlaub zur Hölle machen.«
    »Dafür braucht es keinen Bürgermeister«, seufze ich. Verschweigend, dass ich diesen Urlaub grundsätzlich für die Hölle halte.
    Lena dreht sich noch mal zum Strand um, offenbar in Sorge, mit mir gesehen zu werden. Dann sagt sie: »Du bist so bescheuert. Ausgerechnet beim Bürgermeister …«
    »Punkt eins – es war keine Absicht«, wehre ich mich gegen die Vorwürfe. »Und Punkt zwei – woher soll ich wissen, dass er der böse Bürgermeister ist? Steht ja nirgendwo Rathaus an seinem Wohnmobil.«
    Nach diesem Plädoyer der Verteidigung hole ich mir jetzt doch mal ein Kölsch aus Willis Kühlschrank. Und als wir wenig später gehen, drehe ich mich noch einmal zu ihm um. Am Heck von Willis Wohnwagen entdecke ich einen großen knallgelben Aufkleber mit roter Schrift: »Gott beschütze uns vor Sturm und Wind. Und vor Campern, die keine sind.«

Cinque
    Das Meer liegt vor uns wie eine Badewanne. Es hat auch einen ähnlichen Wellengang. Nämlich gar keinen. Nach und nach trudeln auch die ersten Mittagsschläfer wieder am Strand ein, sie klappen ihre praktischen Leichtmetallstühle wieder aus und spannen die quietschbunten Sonnenschirme auf. Ich gehe in unseren Wohnwagen und schlüpfe zurück in meine Badehose. Hoffentlich guckt nicht wie heute Morgen wieder jemand zum Fenster rein und schaut mir, wie Willi das wohl formulieren würde, auf meinen Dingens.
    »Kannst du mir mal den Rücken eincremen?«, frage ich, während ich die drei Treppenstufen aus dem Wagen herausklettere.
    »Kann ich schon machen, aber wieso? Wir müssen doch erst noch einkaufen gehen.«
    »Was müssen wir?«
    Allmählich geht mir das auf den Keks. Wir sind seit 36 Stunden hier, und ich habe von den zehn Büchern, die ich fein säuberlich im Regal aufgereiht hatte, noch keine einzige Zeile gelesen. Vor allem war ich bisher nicht einmal im Meer. Dabei habe ich noch nie näher dran gewohnt. Tür auf, Sand, Meer. So könnte das gehen. Könnte. Ich fühle mich wie ein Hund, den man vor der Metzgerei angebunden hat.
    »Das ist hier nicht wie in einem Hotel«, belehrt mich Lena. »Kurz einchecken und fünf Minuten später mit einem Gin Tonic im Liegestuhl abhängen ist nicht.«
    »Aber ich würde gern Urlaub machen.«
    »So geht Camping aber nicht. Zuerst muss man den Wohnwagen richtig aufstellen. Okay, das haben wir schon. Dann Wasser auffüllen, einkaufen und so weiter. Tut mir leid – erst kommt die Rödelei. Das machen wir immer so.«
    »Das machen wir immer so«, äffe ich sie ein bisschen zu infantil nach.
    »Du könntest natürlich auch zuerst spülen gehen«, ernte ich eine entsprechend schnippische Reaktion.
    Also Badeschlappen aus, Turnschuhe an. Shorts über die Badehose und dann ein T-Shirt angezogen. Auch wenn wir garantiert die Einzigen sind, die bekleidet in den Supermarkt gehen.
    Wir steigen eine lange Treppe aus verwitterten Natursteinen hinauf, der Boden ist kieselig braun, die Luft erfüllt vom Duft der links und rechts des Weges wuchernden Kräuter und Unkräuter. Den Unterschied erkennen sicher nur Einheimische. Oder mein Schwiegervater. Die Sonne brennt mir auf den Hinterkopf, das Licht ist so grell wie Halogenscheinwerfer. Vielleicht hätte ich mir

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