Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)
dekoriert, die appetitlich von der Decke hängen. Der Verkäufer heißt Luigi und trägt ein rosafarbenes Lacoste-Polohemd, wie sich das wohl nur Italiener trauen. Der Schwanz des Krokodils zeigt dermaßen erigiert in die Luft, dass er schon kaum mehr wie eine plumpe Fälschung wirkt, sondern als ein eigenes ironisches Logo.
Gerade verjagt Luigi die in der Hitze etwas träge gewordenen Fliegen, dann sprüht er mit der Blumenspritze Wasser über das Obst. Er ist der Neffe der Bäckersfrau und quasi mit Lena aufgewachsen. Der Gemüsestand oben im Ort in der Kurve gehört auch seiner Familie, und das in dritter Generation. Vor einem Jahr hat Luigi die Geschäfte übernommen und ist jetzt der Peperoni-Pate von Sepiana.
Lena bestellt ein paar Äpfel und ein Pfund Tomaten. Während Luigi anscheinend jeden Apfel einzeln umdreht, um die schönsten auszusuchen, ratschen die beiden über alte Zeiten. Ich habe das Gefühl, dass meine Arme in der Zwischenzeit drei Zentimeter länger geworden sind. Also stelle ich vorerst mal die schweren Einkaufstüten ab und zünde mir noch eine Zigarette an. Zum Schluss versucht Luigi, eine monströse Wassermelone in eine Plastiktüte zu pfriemeln, was ihm aber trotz allem Ächzen misslingt.
»No, no, solo un pezzo« , sagt Lena. Nur ein Stück.
»Ma, Lena!« Luigi reißt die Arme flehend in die Luft wie ein Nachwuchsschauspieler in der Mailänder Scala, »è un regalo.«
Ich bin irritiert: »Regalo? Was meint er mit Regal?«
Lena kichert, und dann erzählt sie Luigi irgendwas extrem Lustiges, jedenfalls lachen sich jetzt beide schlapp. Bis mir dämmert, dass sie über mich lachen.
» Regalo , das heißt Geschenk«, sagt Lena mit einem Blick, den Frauen bei kleinen Hundewelpen aufsetzen, während sie ihnen den Kopf tätscheln.
In dem Moment drückt mir Luigi auch schon die Melone in den Arm. Sie hat das Format eines Medizinballs und wiegt ungefähr genauso viel.
»Okay«, sage ich, »ich hol dann jetzt mal das Auto. Und du kannst dich ja noch ein bisschen unterhalten.«
»Autofahren ist bis 15.30 Uhr verboten«, sagt Lena und grinst verlegen. »Sorry! Komm, ich nehme dir eine Tüte ab.«
Die Melone unterm linken Arm, zwei Einkaufstüten in der rechten Hand, gehen wir wieder in Richtung Strand. Es sind übrigens genau 83 Stufen. Mit der Medizinball-Melone auf den Treppen komme ich mir vor wie beim Konditionstraining mit Felix Magath.
Als wir bei dem Ristorante in der Kurve angelangt sind, rumpelt ein roter Renault-Kangoo an uns vorbei, ein Wagen, den in Deutschland bevorzugt Blumenhändler fahren. Und die von den Ostermärschen übriggebliebenen Friedensaktivisten. Der Wagen hält auf dem Parkplatz vor dem Restaurant und zieht eine Staubwolke hinter sich her wie ein Paradejet bei einer Flugshow.
»Wieso darf der mit seiner Öko-Karre hier fahren, und wir schleppen den ganzen Scheiß zu Fuß?«, sage ich empört und denke im gleichen Moment an die Ikea-Sackkarre, die wir wenigstens hätten mitnehmen können.
Lena ignoriert wie üblich mein Gemecker. »Hier, halt mal!« Sie stellt ihre Einkaufstüte auf dem Boden ab und rennt völlig enthemmt auf das Auto zu. Ein gemütlicher dicker Mann um die fünfzig mit Halbglatze und einer ausgeprägten Hakennase steigt aus und fällt ihr um den Hals. Lass mich raten – ein alter Freund?
Die Hakennase gehört Ercole, und der hat sich, wie ich sogleich erfahre, vom einfachen Pizzabäcker zum Besitzer des zentralen Restaurants im Grande Paradiso hochgearbeitet. »Aber er macht immer noch die beste Pizza der Welt«, sagt Lena.
Zu meiner Verblüffung schließt Ercole auch mich sofort ähnlich impulsiv in den Arm. »Bist du also Markus«, sagt er strahlend in einem eigenartigen Akzent, der das klassische Gastarbeiter-Deutsch mit einem lustigen hessischen Singsang untermalt. Ercole packt mich an beiden Schultern und hält mich an ausgestreckten Armen. Und während er mich mit fröhlicher Miene und Prüferblick ansieht, habe ich Angst, dass mir meine Mega-Melone aus dem Arm rutscht. »So siehste also aus«, sagt Ercole. Und natürlich hat er schon viel von mir gehört. Die Frage ist bloß: von wem?
Ercole ist nach Massimo der zweite Mann hier, der lange Hosen und richtige Schuhe trägt. Das macht ihn erst mal sympathisch anders. Ich frage mich, ob Italiener wohl auch kurze Hosen tragen, sobald sie in Urlaub fahren. Bei uns Deutschen gehören Bermudashorts zu den Ferien wie der Frühbucher-Rabatt. Es ist Teil unserer Reise-DNA – ungefähr so wie
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