Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)
den Wohnwagen vorschriftsmäßig ab, was eine etwa fünfminütige Chronik des Scheiterns wird, bis ich, meine Schulter schon fast in die Tür hineingebohrt, endlich den Schlüssel umgedreht bekomme. Dieses verdammte Schloss ist verklemmter als ein Klosterschüler.
Das Trampolin ist leider von Kindern besetzt, und so versuche ich, mich auf dem Rücken treiben zu lassen und melancholisch den Wolken auf ihrer Reise zuzusehen. Ich erinnere mich, wie ich beim Rückenschwimmen früher in der Schule nur mit Mühe dem Ertrinken entronnen bin. Auch jetzt sacken mir ständig die Beine nach unten. Wahrscheinlich fehlt mir die Körperspannung. Wundern würde mich das nicht.
Mir fällt das Fußballspiel wieder ein. Womöglich ist das ja eine gute Gelegenheit, mein Image in eine eher maskuline Richtung zu korrigieren. Es gibt sicherlich talentiertere Kicker in unserem Land, aber immerhin war ich als Kind mal ein paar Jahre lang in einem Fußballverein. Dass mich unser Trainer damals ins Tor abgeschoben hat, will ich nun nicht überbewerten. Wenigstens hat er mich nicht zum Linienrichter degradiert. Und ich weiß noch, wie meine Mutter sich immer hinter meinem Kasten postierte, und sobald ein gegnerischer Stürmer auf mein Tor zurannte, trieb sie mich an, ihm in Todesverachtung entgegenzuhechten. Sie schrie und tobte und tanzte. Und das zu einer Zeit, als es den Begriff Soccer-Mum in Deutschland noch gar nicht gab.
Der einzige Haken an diesem Fußballmatch ist bloß, dass Wutbürgermeister Helmut der Teamchef ist. Pest oder Cholera? Manchmal musst du auch mit einem Tag klarkommen, der eine permanente No-win -Situation ist.
Ich nähere mich seinem Stellplatz behutsam von der Strandseite her. Der Bürgermeister fegt gerade sein Vorzelt aus. Er trägt heute nur seine Badehose, und sein Oberkörper ist übersät mit roten Pusteln. Ich fühle mich schuldig.
»Äh, grüß Gott«, sage ich von jenseits des Mäuerchens.
»Sie?« Der Bürgermeister staunt, dass ich mich in sein Territorium traue.
»Hab gehört, dass Sie die Mannschaft fürs Campingplatz-Länderspiel zusammenstellen. Ist das richtig?«
»Korrekt«, schnarrt er, und ich muss unwillkürlich an die Reden auf dem Reichsparteitag denken. »Wollen Sie etwa mitspielen?« Es klingt wie: Hammse überhaupt gedient?
»Na ja, ich dachte, so ein bisschen frisches Blut könnte nicht schaden.«
»Na, dann kommen Sie doch mal rauf.«
Ich klettere das Mäuerchen hoch. Sagrotan-Susi kommt jetzt auch aus dem Vorzelt heraus, sie hält einen Futternapf in der Hand, auf dem »Cazzo« steht. Ich reiche ihr die Hand und stelle mich den beiden überhaupt erst mal mit vollem Namen vor. Bisher haben wir uns ja nur angebrüllt.
Nero, der streunende Kater, kommt angetapst. »Da bist du ja, mein kleiner Rumtreiber«, säuselt Susi, um die Katze anzulocken. »Komm her, Cazzo, komm.«
»Cazzo?«, frage ich.
»Na, Katze halt«, sagt Susi wie selbstverständlich, »die spricht ja nur Italienisch.« Sie beugt sich wieder runter und hält Nero den mit Fleischbröckchen gefüllten Napf hin. »Komm, Cazzo, miez-miez.«
Ich versuche, mein Schmunzeln zu unterdrücken. Es tut schon fast weh, so arg muss ich mich zusammenreißen. Ich denke, es wäre wirklich unhöflich, sie darauf hinzuweisen, dass cazzo im Italienischen eine Menge interessanter Bedeutungen hat. Aber Katze gehört ganz sicher nicht dazu.
Der Bürgermeister erklärt derweil die Regeln. Gespielt wird auf dem kleinen Feld hinter den Tennisplätzen. Jedes Team darf so viele Spieler aufbieten, wie es will, aber es dürfen immer nur fünf Mann und ein Torwart gleichzeitig aufs Feld. Und gespielt wird zweimal 30 Minuten, mit fliegendem Wechsel.
Und dann erzählt er ein wenig über die vorangegangenen Begegnungen gegen die Italiener und davon, dass neben der taktischen Disziplin auf dem Platz ganz generell auch die Qualität in der deutschen Mannschaft gefehlt habe. Er kratzt sich ganz erbärmlich am Rippenbogen und am Schulterblatt. »Aber in diesem Jahr sind ja auch ein paar jüngere Männer hier. Sie … hm, und dann ist da noch ein Familienvater, der einen sehr sportlichen Eindruck macht. Mit dem wollte ich auch noch sprechen.«
»Was halten Sie davon, wenn wir bis dahin ein, zwei Trainingseinheiten einlegen?«, frage ich und fasele etwas von mannschaftlicher Geschlossenheit als Schlüssel zum Sieg. Was man eben immer so hört in der Sportschau.
Beim Abschied versetzt mir der Bürgermeister einen Klaps auf die Schulter. Er sagt:
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