Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)
ich längst begriffen, ist das letzte Refugium des Machismo. Ich bin da eher ein Außenseiter. Männer laufen mit großen Hämmern in der Hand von einem Stellplatz zum nächsten, um einander mit wenigen kraftvollen Hieben die Vorzelt-Heringe in den Boden zu klopfen. Ich glaube, es gibt da einen ähnlichen Wer-braucht-weniger-Schläge-Wettbewerb wie früher beim Oktoberfest-Anstich, bevor Christian Ude Münchner Oberbürgermeister wurde. Der ist nicht mehr zu unterbieten.
Richtige Camper sind imstande, Doppel-Luftmatratzen allein mit dem Mund aufzublasen oder zur Not einen Grill auch ohne Feuerzeug zum Brennen zu bringen. Sie können auch mit verbundenen Augen Autoreifen wechseln. Ich habe dafür die Nummer des ADAC in meinem Handy eingespeichert.
Camping, das ist ja auch die Kunst des gemeinschaftlichen Versiffens. Schweißflecken unter den Achseln gelten hier als Statussymbol. Lena hat mir einmal gesagt, sie habe sich auch deshalb in mich verliebt, weil sie den Duft meines Bulgari-Parfüms so sehr mochte. Insofern bin ich mir nicht sicher, ob jetzt Deo-Verzicht so eine gute Alternative wäre.
Anfangs hat jedenfalls Lena den Kaffee gekocht, während ich die Milch aufschäumte. Und nach dem Frühstück schickte sie mich hoch zu den Waschweibern ans Spülbecken. Es stimmt schon, dass ich im Baumarkt gern vor Fernsehern stehen bleibe, in denen Werbefilme für neuartige Putzmittel laufen. Aber bin ich deshalb gleich ein Vorwärtseinparker? Immerhin benutze ich noch keine Gummihandschuhe für den Abwasch.
In letzter Zeit ist ja viel von der Verweichlichung junger Männer die Rede, von traurigen Hornbrillen-Typen in Strickjacken aus Berlin-Mitte, die in schicken Bars lieber endlos über ihre wirren Gefühle diskutieren, statt Frauen im Suff irgendwann einfach mal zu küssen. Ich habe mich neulich mal mit Ercole über dieses Thema unterhalten, der mir lachend versicherte, dass dieser Diskurs am gemütlichen Sepiana großräumig vorbeigegangen ist. Was mich allerdings auch nicht besonders verwundert in einem Land, das jahrelang von einem ältlichen Casanova auf Steroiden und Viagra regiert wurde.
Als ich vom Spülen zurückkomme, haben wir Besuch. Er trägt schmal geschnittene Bade-Bermudas von irgendeinem Surfer-Label, eine Oakley-Sonnenbrille und darüber ein Quicksilver-Basecap.
»Buon giorno« , sagt Fabio feixend, »alles picobello sauber?«
»Sowieso«, sage ich. »Und bei dir? Wie laufen die Immobilien-Geschäfte?«
»Aah, ich mach heute mal einen Tag frei. Muss mich mal ausruhen. Bloß keinen Stress.«
»Siehst du das Fischerboot da vorn?«, sagt Lena verzückt. »Das hat sich Fabio von einem Kumpel ausgeliehen. Ist das nicht super?«
Und ich dachte schon, er wäre vom Hafen aus mit dem Surfbrett rübergekommen. Einmal um den Felsen rum.
Auf jeden Fall ist Fabio hier, um Lena zu einer kleinen Spritztour abzuholen. Bisschen die Küste entlangschippern, in die romantischen Grotten fahren, in kleinen Buchten halten und an einsamen Stränden, die nur vom Wasser aus erreichbar sind. Er hat sogar eine gut gefüllte Kühlbox mit leichtem Weißwein an Bord. Alles. Nur leider keinen Platz für mich.
»Ist eben ein Fischerboot. Ist ganz klein«, sagt Fabio grinsend. » Scusa , Marco.«
»Passt schon«, lüge ich.
»Macht’s dir wirklich nichts aus?«, fragt Lena. Schwer zu sagen, ob das Scheinheiligkeit ist. »Wir bleiben auch nicht so ewig. Versprochen!«
Lena setzt ihren neuen Hut auf, während sich Fabio genüsslich die Hoden sortiert. Dann packt sie ein Handtuch und ein T-Shirt in die kleine wasserdichte Umhängetasche, die Fabio ihr extra mitgebracht hat. Sie gibt mir einen langen Abschiedskuss, und mir fällt auf, dass es überhaupt der erste Kuss seit zwei oder drei Tagen ist. Für ein Paar auf Hochzeitsreise auch eine bedenkliche Bilanz.
Wenigstens dreht sie sich noch mal zu mir um und winkt, bevor die beiden um den Felsen herum verschwinden.
Ich versuche mich auf mein Buch zu konzentrieren. Das hat auch schon mal besser geklappt. Es ist einer dieser Tage, an denen ich keine Minute still sitzen kann. Stehe auf und hole meine Zigaretten. Rauche und lese. Und gieße mir ein Glas Wasser ein. Trinke und rauche und lese. Und suche nach der Sonnencreme. Auch im Müßiggang kannst du vor Unruhe verrückt werden.
Es ist doch paradox: Je mehr ich in diese seltsame Freiluft-Gesellschaft hineinwachse, desto mehr wachse ich aus unserer Ehe heraus. Das war nicht der Plan.
Bevor ich schwimmen gehe, schließe ich
Weitere Kostenlose Bücher