Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)
sagt er, was Lena wiederum mit einem genervten Augenrollen quittiert.
»Okay, also hier ist der Plan«, sage ich. »Ihr kennt euch mit diesem technischen Schnickschnack natürlich besser aus, da müsst ihr mir sagen, wenn irgendwas nicht geht. Aber nachdem ich heute gesehen habe, wie der Herbert die ganze Zeit zum Klo gerannt ist, da kam mir eine Idee. Falls dieser Idiot jemals den Campingplatz verlassen sollte, schlagen wir zu. Wir gehen zu seinem Wohnwagen und nehmen den Fäkaltank raus. Und der ganze Mist läuft unter den Wagen. Was meint ihr?«
»Bist du bekloppt?«, platzt es aus Lena heraus.
»Also, technisch ist das vielleicht machbar, falls er ihn nicht abgeschlossen hat«, sagt Willi in seniorenhafter Besonnenheit, »aber das geht nicht.« Er setzt an zu einem Grundsatz-Vortrag über den Ehrenkodex unter Campern. Es mag Meinungsverschiedenheiten geben, aber sie werden niemals so giftig ausgetragen wie unter Reihenhaus-Nachbarn. Er sagt: »Der Wohnwagen eines Campers ist tabu. Alles klar?«
Ich nicke wie ein Schuljunge, der gerade vom Direktor die Standpauke seines Lebens bekommen hat.
Ein paar Ideen schwirren umher, die ich allesamt zu schlapp finde. Schließlich schlägt Horst vor, die Gassi-Säcke zu entfernen, für die der Bürgermeister so erbittert gestritten hat. »Aber die sind doch echt sinnvoll«, sagt Lena, die eben noch geschworen hat, sich an dieser Diskussion nicht zu beteiligen.
»Und wenn wir Ameisen anlocken?«, sage ich. »Die kriegt er mit ein bisschen Pulver doch schnell wieder erledigt.«
Herbert nickt.
»Auf keinen Fall«, sagt Horst, »Ameisen sind die Pest, die kriechen dir überall rein, in jede Ritze. So viel Pulver kannst du gar nicht verstreuen. Nee, das ist zu hart.«
»Aber irgendwas, das mit seinem Ordnungs- und Waschzwang zu tun hat«, sage ich.
Unsere Verschwörer-Runde kommt ins Grübeln.
»Also gut, was anderes«, sage ich und erzähle, dass ich gestern, nachdem ich sein Safari-Outfit auf der Wäscheleine bei den Chemie-Toiletten hatte hängen sehen, noch schnell ins Dorf gefahren bin und bei Millecose im Scherzartikel-Regal Juckpulver gefunden habe.
»Das«, sagt Lena, »ist das Letzte. Wenn es etwas gibt auf einem Campingplatz, dann ist es Vertrauen. Du musst deine Klamotten aufhängen können, ohne dass dir jemand an die Wäsche geht.«
Ich schweige verlegen und schaue betreten auf meinen leeren Teller.
»Warum bist du plötzlich so still?«, fragt Lena.
»Ich fürchte, dieser Hinweis kommt, nun ja, jetzt ein bisschen zu spät.«
dieci
Heute sei ich mal dran mit Kaffee kochen, hat Lena gesagt und sich zum Supermarkt aufgemacht, um unsere vorbestellten Cornetti abzuholen, die wie jeden Tag in einer braunen Papiertüte in einem Korb hinter der Back-Theke liegen. Mit einem Edding-Stift ist Lenas Name draufgekritzelt.
Allmählich habe ich mich schon an diese durchritualisierten Tage gewöhnt, die mich immer mehr an den Film »Und täglich grüßt das Murmeltier« erinnern. Du wachst auf mit der »Final Countdown«-Fanfare und der Frohsinns-Attacke aus den Lautsprechern, kurz darauf rattert Bademeister Freddie gemächlich auf seinem Strandpflug vorbei und schaut lüstern, ob er Lena endlich mal wieder oben ohne sehen kann. Und wenig später stampfen die Beats von der »Acqua-Gym« am Strand herüber. Um ehrlich zu sein, finde ich diese gleichförmige Ereignislosigkeit inzwischen extrem erholsam.
So gesehen stellt das Kaffeekochen eine irritierende Abwechslung dar. Vor allem aber stellt es mich vor ein schier unlösbares Problem. Unsere Camping-Küchenzeile, deren zusammensteckbaren Unterschrank ich immerhin ohne fremde Hilfe aufgebaut habe, ist mit einer doppelten Kochplatte versehen. Einer Gas-Herdplatte wohlgemerkt. Lena hat mir schon zweimal gezeigt, wie man sie bedient. Und beim zweiten Mal wurde sie schon ziemlich ungeduldig. Also: Gasflasche aufdrehen, Gasknopf am Herd drücken, Kamin-Feuerzeug dranhalten. Die Theorie habe ich voll drauf. Nur mit der Praxis komme ich immer noch nicht zurecht. Ich entstamme der Generation Cerankochfeld.
Als Lena vom Supermarkt zurückkommt, stehe ich immer noch vor den Herdplatten und drücke verzweifelt auf dem Gasknopf herum. Den Willi zu bitten, war selbst mir zu peinlich, aber so vernichtend wie Lena mich jetzt ansieht, hätte ich vielleicht doch lieber die Pest der Cholera vorziehen sollen.
»Was kannst du eigentlich?«, fragt Lena. Genauso gut hätte sie mich auch anspucken können.
Ein Campingplatz, das habe
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