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Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)

Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)

Titel: Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Götting
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stehen. Jedenfalls sind die Rauchschwaden jetzt so dicht geworden, dass man kaum noch die erste Reihe sehen kann. Ich habe komplett das Zeitgefühl verloren: Keine Ahnung, wie lange wir hier im Wasser stehen, aber zwei, drei Stunden werden es schon sein. Auf jeden Fall wird es allmählich höchste Zeit, hier zu verschwinden, bevor es den Ersten von uns mit einer Rauchgasvergiftung umhaut. Alle, die noch im Wasser stehen, und das sind immer noch einige Dutzend Leute, waten jetzt in Richtung des Felsens am Ende der Zona Dragona – dahinter liegt die nächste Bucht.
    Unsere friedliche, langweilige Bucht. Mit einem Mal knattert ein Schwarm Hubschrauber darüber hinweg wie damals im Himmel über Saigon. Inzwischen kommen auch schon die Grottenboote von Sepiana herüber und nehmen die Flüchtlinge auf.
    »Hey, da ist Freddie!«, ruft Lena, sie winkt und schreit. So laut, wie ich sie noch nie habe schreien hören. Der Bademeister muss irgendwoher ein Motorboot besorgt haben. Er wendet und hält auf uns zu.
    »Lena! Andate abordo! «
    Ich schmeiße den Rucksack ins Boot, dann helfen wir Willi hoch. Der Bürgermeister klettert als Letzter hinein. Immer noch ganz der Capt’n. Wir hocken eng zusammengequetscht im Boot, während Freddie gemächlich in die nächste Bucht tuckert, wo er uns absetzen will.
    Lena zeigt auf den Hügel, den rechten Arm der Bucht – auch er brennt lichterloh. Sie brüllt Freddie auf Italienisch zu, dass er weiterfahren soll. Weg!
    Wir sehen noch, wie sich zig Camper durchs Wasser kämpfen, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch diese Bucht komplett von Rauch eingehüllt ist. Hoffentlich kommen noch mehr Boote nach.
    Freddie rast weiter hinaus aufs Meer, weg vom Qualm, und dann die Küste hinunter Richtung Vieste, dem nächsten größeren Ort. Die Gischt peitscht mir ins Gesicht, mein T-Shirt ist pitschenass, und der Fahrtwind lässt mich frösteln.
    Lena hält sich mit ihrer rechten Hand am Bootsrand fest, sie hat sich regelrecht festgekrallt. Den Kopf hält sie nach vorn gebeugt, den linken Arm schützend davor, um nicht noch mehr Spritzwasser abzukriegen. Ich rutsche näher an sie heran und lege meinen Arm um sie.
    Vereinzelt sieht man glutrote Flammen in den schwarzen Wolken lodern, das muss weiter oben sein, auf der Landstraße, die sich die Küste entlangschlängelt. Freddie hält konstant ein paar hundert Meter Abstand zum Festland, damit wir nicht noch mehr Rauch einatmen. Und er gibt Vollgas. Zu meiner Rechten schießt die Küste vorbei wie ein Film, eingehüllt in schwarzen Nebel, der sich nur langsam auflöst, je weiter wir Richtung Südosten vordringen.
    Unterwegs haben wir zwei Grottenboote überholt. Gut zwanzig, dreißig Minuten sind vergangen, als Freddie allmählich das Tempo drosselt und Richtung Küste abdreht. Ein Hafen kommt in Sicht. Das muss Vieste sein. Die Sonne scheint unschuldig, aber auch erbarmungslos heiß.
    »Wahnsinn«, stammelt Willi.
    »Funktioniert dein Handy noch?«, frage ich ihn. Das Wasser hat uns schon bis zur Brust gestanden, als wir auf Freddies Boot zugewatet sind, und Willi hat sein Telefon mit der rechten Hand wie einen Pokal in die Höhe gereckt, während er seine Linke auf die Meeresoberfläche lenkte.
    »Keine Ahnung, wieso?«
    Freddie tuckert jetzt langsam auf den Yachthafen zu.
    »Willst du nicht wissen, wo Rita und die anderen stecken?«
    »Ach so.« Er schüttelt sich konfus und schaut auf sein Display. »Scheiße, das Ding ist hin.« Dann feuert er das Handy wütend ins Wasser.

Quattordici
    Am Quai geht es ziemlich tumultartig zu. Einige Dutzend Leute, vielleicht auch hundert, rennen durcheinander. Freddie legt an der Hafenmauer an und hilft uns aus dem Boot. Er redet ein paar Minuten mit einem Uniformierten – ein Hafenangestellter vielleicht. Oder ein Polizist irgendeiner der vielen Truppen. Er fuchtelt mit den Händen herum und bedeutet ihm, dass am Grande Paradiso immer noch Leute im Wasser stehen und Hilfe brauchen.
    Ich krame im Rucksack nach unseren Handys. Es ist tatsächlich alles trocken geblieben. »Lass dir Freddies Nummer geben«, sage ich zu Lena.
    Die beiden wechseln ein paar Worte, dann speichert sie seine Nummer. »Ci sentiamo doppo« , sagt Freddie, während er in sein Boot zurückklettert. Wir hören uns später.
    Und da stehen wir also, tropfnass und barfuß auf einem der paar Yachthafen-Quais. Ich fummele unsere Turnschuhe aus der Tasche und die beiden trockenen T-Shirts. »Dass ihr an so etwas gedacht habt«, sagt die

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