Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)
Susi und schüttelt ungläubig den Kopf.
Willi hat sich auf die Quai-Mauer gesetzt, er wirkt zusammengesunken. Inzwischen offenbar doch mehr besorgt um Rita als um seinen Mercedes. »Hier, nimm mein Handy. Kannst du erst mal behalten, bis du sie erreicht hast.«
Er wählt und wartet. Keine Antwort. »Geht nur die Mailbox ran.«
»Wo immer die auch sind, irgendwer wird sie schon hierherbringen. Vieste ist die einzige Stadt in der Nähe von Sepiana.«
Willi schweigt.
Weiter vorne säumen Palmen eine kleine Piazza, dort geht es zu wie auf einem Basar. Lena redet gerade mit dem Uniformierten, einem ziemlich aufgeblasenen Carabiniere, der wahrscheinlich gerade den Adrenalinschub seines Lebens bekommen hat. »Also, er sagt, wir sollen da vorne warten«, sie zeigt auf die Piazza. »Da sind noch mehr Leute, die aus Sepiana abgehauen sind. Und das Rote Kreuz ist auch schon verständigt.«
Irgendwie warte ich ja nur darauf, dass Helmut jetzt gleich wieder den Bürgermeister raushängen lässt und die ganze Sache selbst organisiert, aber sogar ihm scheint ein erheblicher Schrecken in die Glieder gefahren zu sein. Er trottet Hand in Hand mit seiner Susi hinter uns her und sagt kein Wort. Seine wohlgeordnete Campingplatz-Welt ist mit einem Mal komplett aus den Fugen geraten.
Auf der Piazza sitzen gut drei Dutzend Leute im Schatten einiger Palmen, und aus dem Ort sind viele Helfer und wahrscheinlich auch Schaulustige herbeigeströmt: alte Frauen, junge Männer, Kinder. Sie verteilen Wasserflaschen, und erst jetzt merke ich auch, wie meine vertrocknete Kehle brennt.
Und wie immer in solchen Situationen sind die Leute vom Fernsehen natürlich schneller am Ort des Geschehens als die Hilfskräfte. Eine aufgeregte und deutlich überschminkte Reportermaus macht sich auf die Suche nach Augenzeugen. Auf ihrem Mikrophon steht TG24, die italienische Version von Sky News. Als sie schließlich auch an uns herantritt, schleudert Lena ihr ein ziemlich deutliches »Vaffanculo« entgegen.
Ich sage: »Passt auf, Leute, ihr wartet jetzt mal hier, und ich suche einen Geldautomaten. Ich habe noch alles dabei, Kreditkarten, EC-Karte. Und dann kaufen wir hier in so einem Touri-Laden erst mal Badelatschen und trockene Klamotten.«
Willi und das Bürgermeisterpaar sind viel zu erschöpft, oder eher komplett überfahren, um zu widersprechen. Unter normalen Umständen wäre das undenkbar.
Lena fängt leise an zu weinen. »Hey«, sage ich und streichele ihr über die Haare. »Hey, was ist denn los?«
»Der Wohnwagen. Es ist bestimmt alles verbrannt.«
»Das werden wir sehen. Komm, bleib tough, du musst hier alles übersetzen, okay?«
Sie nickt schluchzend.
Nach einer Stunde stehen Willi, Helmut und Susi in Shorts, Flip-Flops und albernen Bella-Italia-T-Shirts wieder auf der Piazza. Für einen, der sonst gern Bier-Motto-Hemden trägt, ist das jetzt keine dramatische Umstellung. Aber Willi ist immer noch komplett durch den Wind. Weder Rita noch Herbert sind erreichbar.
Lena hat in der Zwischenzeit herausgefunden, dass die lokalen Rot-Kreuz-Helfer dabei sind, in Schulen und Turnhallen Notunterkünfte zu organisieren. Der eitle Carabiniere hatte ihr gesagt, dass schon bald eine Art Krisenzentrum hier unten am Hafen eingerichtet werden würde, um sich der Flüchtlinge anzunehmen. Alle paar Minuten kommen Boote an, die gestrandete Camper in Vieste abliefern. Und ständig kommen Menschen aus dem Ort, die Sixpacks Wasser heranschleppen.
»Ich weiß, das klingt blöd«, sage ich, »aber lasst uns einfach in ein Straßencafé gehen und dort auf das Rote Kreuz warten. Wir können eh nichts machen.«
»Aber wir müssen die anderen suchen«, sagt Willi.
»Es gibt keinen Grund zur Panik«, ich packe ihn kräftig an seinem schlappen Arm. »Das läuft schon von selbst. Es bringt auch nichts, wenn wir jetzt hier wie die Hühner rumrennen, okay?«
»Bis diese Italiener das hinkriegen, ist es doch Weihnachten«, mault Helmut. Trotzdem kommen alle mit.
Im Café hängt Willi wieder ergebnislos am Telefon.
Er ist so fertig, dass er freiwillig einen Kaffee trinkt. Und kein Bier. Als unsere Cappuccini auf dem Tisch stehen, zünde ich mir erst mal eine Zigarette an, die ich mir gerade an der Bar gekauft habe.
»Gibst du mir auch eine?«, fragt Helmut. Ich traue meinen Ohren nicht.
»Mir auch«, sagt Willi.
Wir schweigen eine Weile, dann sagt er: »Wie kann so was passieren? Da hat bestimmt irgendein Idiot illegal seinen Müll verbrannt.«
»Hab ich auch
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