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Alles bestens

Alles bestens

Titel: Alles bestens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Doelling
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Sie machte eine ausladende Handbewegung, die »alles« bedeutete.
    Ich überlegte, ob ich ihr sagen sollte, dass es »im Internet« heißt und das »es« gefehlt hat. Aber ich hielt meine Klappe.
    Wir schauten ein Weilchen auf den See. Enten schwammen vorbei. Am Horizont ein Schwanenpärchen. Sie steckten die Hälse zusammen, herzförmig, wie auf diesen bekloppten Kitschpostkarten.
    Luka steckte mir Gras zwischen die Zehen. Ich hob den Keks auf und schluckte literweise Spucke runter, hielt ihm den Keks hin, in der Hoffnung, er würde höflich ablehnen. Aber falls ihr es noch nicht wusstet, Kinder sind so was von gierig und egoistisch! Im Nu hatte der kleine Mistkerl den Keks im Mund und nuckelte ihn genüsslich weg.
    Sandra sagte, sie müsse jetzt gehen. Sie ließ ihren nassen Bikini an und zog ein moosgrünes Trägerkleid über. Es ging ihr bis an die Knie. Sie hatte perfekte Knie, keine Knicksknie, das sah ich als Sohn eines Orthopäden sofort.
    »Hast du keine Schule?«, fragte sie mich, als sie ihr Handtuch zusammenfaltete.
    Ich holte tief Luft und genau in dem Moment fing mein Magen an zu knurren.
    »Oh, là, là«, sagte sie. »Hast du Hund verschluckt?« Sie lachte und bot mir von diesen trockenen Babykeksen an. Die Schokoplätzchen waren leider alle.
    Ich nahm einen Keks und bedankte mich. Wie sich das gehört.
    »Bist du morgen wieder hier?«, fragte sie und hievte Luka in den Kinderwagen.
    »Ja«, sagte ich und stand auf. Sie war einen Kopf kleiner als ich.
    »Vielleicht ich komme wieder«, sagte sie.
    »… komme ich wieder«, verbesserte ich sie.
    »Ja«, sagte sie. »Komm doch.« Und dann stöpselte sie Luka den Schnuller ein und schob mit dem Kinderwagen ab.
    Die Flip-Flops schlappten ihr an die Hacken; sie ging über die Straße und drehte sich nicht mehr um.
    Mannomann, da stand ich nun, mit dem trockenen Keks und immer noch in Unterhose. Dabei wäre sie meine Rettung gewesen! Sie hätte mir ein T-Shirt leihen und ein paar Spiegeleier in die Pfanne hauen und mich mit dem Schlüsseldienst telefonieren lassen können. Aber ich ließ sie gehen, ohne einen Abschiedsgruß. Ich nibbelte an dem trockenen Keks herum, als müsste ich ihn mir für eine ganze Woche einteilen. Jeder Krümel schmeckte nach Sandra, nach ihrem Blick, nach ihrer Stimme. Nach der Ukraine. Wenn sie erst mal eine berühmte Sängerin wäre, würden wir durch die Welt tingeln und in den teuersten Hotelsuiten der Welt nackig durch die Zimmer rennen.
    Leute, mich hatte es voll erwischt! Ich hatte plötzlich so was in mir wie einen zweiten Motor, und dieser Motor sprang an und ich musste einfach losrennen. Ich konnte nichts dagegen tun. Ich rannte in den See und ließ mich von dem Wasser streicheln, in dem sie vorhin gebadet hatte.
    Erst als ich rauskam, wurde mir bewusst, dass ich kein Handtuch dabeihatte und mich nass und tropfend auf die Wiese legen musste. Ausgerechnet in dem Moment kam eine dicke Wolke angeschoben. Ich kann euch sagen, ich habe geschlottert wie noch nie, aber dann holte ich mir Sandra vor Augen und sah durch meinen Schüttelfrost in ihre ungeschminkten Augen, und sie wärmten mich und trockneten mich, und als ich mich auf den Rücken drehte, um die Sonne, die sich gerade aus der fetten Wolke gewunden hatte, voll auf meinen Bauch scheinen zu lassen, drückte mich etwas im Rücken. Es war kein Stein, keine Zigarettenschachtel, kein Zauberstab oder anderer Müll. Es war ein Buch. Es war Sandras Buch, in das ich ihr ein Kaninchen gezeichnet hatte. Und wenn ich nicht schon gesessen hätte, hätte ich mich jetzt hinsetzen müssen. Es war dieses verdammte Buch über diesen verfluchten Irren, Holden Caulfield, The Catcher in the Rye , aber auf Deutsch. Ich nahm es und wäre am liebsten gleich losgespurtet, hinter ihr her, um es ihr wiederzubringen, aber da funktionierte mein Motor plötzlich nicht mehr.
    Ich sackte in mich zusammen, kraftlos und klein, musste mich am Buch festhalten, sonst wäre ich ohnmächtig geworden und zwischen den Grashalmen verschwunden. In mir kribbelte es. Wahrscheinlich hatte ich die Ameisen vorhin nicht richtig zerkaut und nun bildeten sie in meinem Magen eine Ameisenstraße. Ich fühlte, wie sie die Verletzten forttrugen und in mir nach Essbarem suchten.
    Mit letzter Kraft schlug ich die Seite 45 auf, die mit dem Kaninchen im Rollstuhl, und fing an zu lesen.

Keine Ahnung vom Leben
    Anstatt nur die Seite mit dem Kaninchen zu lesen, zog ich mir gleich eine Überdosis Text rein. Dieser Typ, Holden,

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