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Alles bleibt anders (German Edition)

Alles bleibt anders (German Edition)

Titel: Alles bleibt anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Langer
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nicht in den Sinn.«
Ihr Essen wurde serviert und Frank war überrascht über die Größe der Portion, das Eisbein ragte auf beiden Seiten über den Tellerrand hinaus.
»Seltsam, wie kommt meine Mutter dann zu dieser Bezeichnung? Ich hatte daraus geschlossen, dass ich ihn gut gekannt hatte. Schließlich scheint er ja dann auch Claire sehr nahe gekommen zu sein, als ihr alle in Trauer um mich wart.«
»Ich habe Claire nur zwei Mal gesehen: als wir drei zusammen auf der Rennbahn waren und als wir uns gemeinsam diesen Vortrag über das Frauenwahlrecht angehört hatten. Ich hatte dich damals schon in Verdacht, dass du sie mir absichtlich vorenthältst«, grinste Jakob. »Du hattest mir so viel und so oft von ihr vorgeschwärmt, dass ich richtig neidisch auf dich wurde. Bin immer noch Junggeselle. Na ja, als Gynäkologe trifft man ja auch immer nur Frauen, die schon vergeben sind.«
Er schnitt sich ein Stück Fleisch ab.
»Du kannst dir vorstellen, wie überrascht ich war, als ich von der Verlobung mit Wiegand erfuhr. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich keine Ahnung, dass da überhaupt eine Verbindung bestand. Ich habe mich danach oft gefragt, ob sie heute 'Frau Doktor Jakob Levy' wäre, wenn ich sie getröstet hätte.«
Beide aßen weiter, Frank nippte an seiner Fassbrause.
»Hat eine große Karriere gemacht, der Sonderling von damals«, fuhr Jakob fort. »Die Thesen, die wir seinerzeit als 'seltsam' erachtet haben, verwandelten sich zunehmend in bahnbrechende Entdeckungen und Neuerungen, die ihn plötzlich zu einem viel gefragten Mann gemacht hatten. Er ist heute mit vierunddreißig Jahren kurz davor, Chefchirurg des renommiertesten Krankenhauses des Reichs zu werden. Seine Schriften sind in mehrere Sprachen übersetzt. Er hat ein eigenes Automobil! Man stelle sich das vor! Unglaublich!«
In seinen Worten schwang weder Verbitterung noch Neid mit.
Frank lachte ihm zu.
»Was ist schon Ruhm und Geld gegen ein wieder gewonnenes Leben oder eine gute Portion Eisbein mit Sauerkraut im Beisein eines tot geglaubten Freunds?«
»Das ist wahr«, lächelte Jakob und erhob dabei sein Glas wie zu einem Trinkspruch.
Danach wurde Jakob wieder ernster. »Abgesehen von Claire. Um sie beneide ich ihn in der Tat. Und du wirst es auch tun, wenn du dich erst wieder an alles erinnerst!«
»Weißt du, ob sie glücklich ist, Jakob?«
»Vorstellen kann ich es mir nicht. Trotz aller Erfolge, Wiegand ist ein Sonderling und Außenseiter geblieben. Die Kollegen, die mit ihm zusammen arbeiten, reden kaum Gutes über ihn. Was seine Arbeit angeht, sind alle sehr respektvoll und voller Hochachtung. Doch man kann es mit der Disziplin und den guten, alten preußischen Tugenden sicherlich auch übertreiben. Auf sein Betreiben hin wurden durchaus schon Kollegen versetzt oder entlassen. Ich – für meinen Teil – bin jedenfalls froh, nicht in der Chirurgie zu sein und unmittelbar mit ihm zusammen arbeiten zu müssen. Dass irgendjemand mit ihm klarkommt, kann ich mir nicht vorstellen, geschweige denn, dass eine Frau mit ihm glücklich ist.«
»Aber Claire ist eine intelligente Frau?«
»Nach dem, was du mir damals berichtet hattest: ja. Macht ihre Entscheidung umso unverständlicher.«
Keinem von beiden war es gelungen, seinen Teller leer zu essen.
Jakob bezahlte 'der guten, alten Zeiten wegen' beider Essen und notierte dem wieder gefundenen Freund seine Adresse auf einem Bierdeckel.
Er drückte Frank kräftig an sich, als sie sich vor der 'Bürgerstube' trennten.
»Es tut mir sehr leid, was mit dir geschehen ist und ich möchte dir helfen und dir zur Seite stehen, wo ich nur kann!«
Frank spürte, dass dieser innige Abschied von Herzen kam und Jakobs Worte mehr als Floskeln waren. Er freute sich schon darauf, Jakob bald wieder zu sehen.
Dann drehte er sich um und ging zurück zur Bushaltestelle, während Jakob zu seinem Dienst im Krankenhaus eilte.

10
     
    Etwa auf halber Strecke zum Müggelsee musste Frank den Bus verlassen, der seine Endstation erreicht hatte. Er stieg um in die 'Städtische Straßenbahn Cöpenick', wie er vor dem Betreten der hinteren Plattform auf dem Wagen lesen konnte. Er entrichtete beim Schaffner den Fahrpreis von zwanzig Pfennigen und nahm im Inneren des Wagens Platz. Je mehr er sich dem Müggelsee näherte, desto mehr klarte der Himmel über ihm auf und als die Trambahn auf Höhe des Nordufers stoppte, waren nur noch vereinzelte Wolken zu sehen.
Am Müggelsee herrschte fast die gleiche Betriebsamkeit wie gestern und Frank sog

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