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Alles bleibt anders (German Edition)

Alles bleibt anders (German Edition)

Titel: Alles bleibt anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Langer
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hereinbrechende Licht schluckte die einzelnen, sanften Sonnenstrahlen, die eben noch mit bloßem Auge erkennbar gewesen waren. Jemand war eingetreten.
»Heilige Maria Mutter Gottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.«
Bedächtig drehte Frank sich um.
Es war eine menschliche Silhouette, die dort im nun geöffneten Kirchenportal stand. Die Sonne stand genau im Rücken der Person und das Licht um die Silhouette herum blendete Frank. Seine Augen formten sich zu schmalen Schlitzen. Unbeweglich verharrte die Person dort, schien sich zu orientieren. Frank erkannte die Umrisse der Kleidung. Es war eine Frau. Diese wartete dort noch einen Augenblick ab und näherte sich ihm dann zielstrebig. Für Frank glich es mehr einem Gleiten, als einem Gehen, als die Gestalt auf ihn zukam.
Sie trug eine hellblaue, einfach geschnittene Bluse und einen dunkelblauen Hosenrock, der ihre Knöchel frei ließ. Hut trug sie keinen.
Dann sah Frank ihr Gesicht. Sein Wunsch, die Frau wäre Claire, blieb unerfüllt.
Das brünette Haar der Frau war so kurz geschnitten, wie er es selten in den Tagen seit seiner Ankunft gesehen hatte. Ihr Gesicht gefiel Frank. Es war bei weitem nicht so weiblich, warm und anmutig wie das von Claire, doch strahlte es eine Vertrauen erweckende Offenheit aus. Der Blick der Frau war direkt und musterte ihn, wie er immer noch dasaß in seiner Kirchenbank, die Hände im Schoß zum Gebet gefaltet.
Die Mundwinkel der Frau begannen zu zucken und eine Art Lächeln zu üben. Ihre Augen wirkten, als wollten sie weinen und könnten es nicht.
»Frank!«, flüsterte sie ungläubig und Frank erkannte die Stimme.
»Karen …«, fiel ihm der Name der Frau ein und er staunte selbst darüber.
Mehr als den Namen wusste er im ersten Moment nicht, doch langsam und in unaufhaltsamer Beständigkeit drängten sich weitere Bilder in sein Bewusstsein.
Frank sah, wie ein Mädchen und ein Junge auf einem Schrebergarten-Grundstück 'Verstecken' spielten und dann, wie sie auf einer Wiese lagen und gemeinsam in einem Kinderbuch lasen. Der Junge war er selbst und das Mädchen war die Frau ihm gegenüber. Er erinnerte sich, wie sie sich beide heimlich mit Erdbeerbowle betrunken hatten, und daran, wie sich dasselbe Mädchen kokett und sich zur Schau stellend vor ihm in einer Uniform im Kreise gedreht hatte. Auf der Uniform war ein Abzeichen mit der Buchstabenkombination 'BdM' gewesen und das Mädchen hatte missmutig eine Schnute gezogen.
»Karen«, sagte er den Namen noch einmal, lauter und deutlicher, als müsse er ihn sich selbst bestätigen.
Die Frau deutete ein Nicken an.
Als sie das Medaillon vor seiner Brust baumelnd entdeckte, öffnete sie den obersten Knopf ihrer Bluse, zog an einem Halskettchen ein genauso aussehendes Medaillon hervor und zeigte es Frank.
»Was ist mit mir passiert? Wer bin ich?«, fragte Frank hilflos.
Karen erkannte, dass ihm die Kraft fehlte, aufzustehen und setzte sich zu ihm. Ihn zu berühren, wagte sie nicht. Sie hatte Angst vor der körperlichen Nähe.
»Ich dachte, du wärst tot!«, begann sie und sah ihm dabei in die Augen.
»Ja, das dachten alle«, in seiner Ratlosigkeit schwang ein Hauch Zynismus mit, »Frank Miller, geboren am 24.10.1978, gestorben am 23.5.2005, so steht es draußen auf meinem Grabstein.«
»Es ist nicht der deine!«
»Wessen Grabstein ist es dann? Wer ist es, der dort vergraben liegt, unter einem Gedenkstein, der meinen Namen trägt?«
»Es ist Frank Miller, vermutlich, ich weiß es nicht.«
»Wie kann Frank Miller dort in der Erde liegen und gleichzeitig hier neben dir sitzen und sich mit dir unterhalten? Du hast mich eben mit 'Frank' angesprochen! Und ich bin mir mittlerweile sicher, dass ich der bin, für den ich mich halte. Bin ich ein Geist, der mit dir diese Unterhaltung führt?«
»Es ist eine lange Geschichte, Frank, und keine sehr einfache.«
»Dass es keine einfache Erklärung gibt, war mir ziemlich schnell klar, als ich am Sonntag am Görlitzer Bahnhof anscheinend aus dem Nichts …«
Sie unterbrach ihn.
»Am Sonntag?«
»Ja.«
»Um wie viel Uhr?«
Frank überlegte.
» Mann, haben Sie ein Glück, dass der Elf-fünfundvierziger zehn Minuten Verspätung hat «, wiederholte er die Worte des Schaffners, an die er sich erinnerte, »es muss also kurz vor zwölf Uhr gewesen sein. Warum?«
»Das war exakt der Zeitpunkt, an dem wir unsere Versuchsreihe wieder aufgenommen haben«, sagte Karen mehr zu sich selbst.
»Welche Versuchsreihe? Wer ist 'wir'?«
Karen ging

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