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Alles Boese mir vergib

Alles Boese mir vergib

Titel: Alles Boese mir vergib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Meinke
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hing eine Telefonliste. Sie sei WIRKLICH krank, erkältet, beteuerte sie, ich könne ja kommen und mich selbst davon überzeugen, wenn ich ihr nicht glaubte. Um Viertel nach zehn sprintete ich zum Bus, fuhr nach Islands Brygge und klingelte bei ihr.
    „Ich habe Brötchen mitgebracht“, sagte ich, als sie mir die Tür aufschloss. Ich hatte aus Croissants liebevoll einen Strauß geformt. Sie lachte. Sie trug warme Baumwollsachen, sonst – kein sichtbares Zeichen einer Krankheit.
    „Meine Schwester ist nicht da“, sagte sie. Es duftete nach Minze und frisch geschliffenem Holz. Plötzlich wusste ich nicht, was ich tun sollte. Mein Magen zog sich zusammen. Am liebsten hätte ich sie fest umarmt und nicht mehr losgelassen. War ich verliebt? Ich kannte mich diesbezüglich schlecht, aber gut genug, um mich nicht auf einen Körper zu verlassen, der mir gern etwas vorgaukelte, um seinen Willen zu kriegen.
    „Komm rein“, sagte sie. Ich legte meine Jacke ab.
    „Willst du einen Tee?“ Ich nickte.
    „Setz dich ins Wohnzimmer. Ich komme gleich.“ Ich nahm auf einem durchgesessenen IKEA-Sofa Platz und blickte mich um. Bücher, Bücher, Bücher. Filme. Hm.
    „Wollen wir einen anschauen?“ Sie ging zum Regal. „Ich entscheide welchen.“ Sie zog The Straight Story heraus. „David Lynch! Ist das gut?“ Ich nickte. Bislang hatte ich nicht viel gesagt. Der Film war weder gruselig noch gefährlich. Es war ein Roadmovie über einen alten Knacker, der tausend Kilometer mit seinem Rasenmäher fährt, um seinen Bruder zu besuchen. Mittendrin legte Vicki ihren Kopf auf meinen Schoß und schlief ein. Ich wagte nicht, mich zu rühren, obwohl ich pinkeln musste. Als der Film fast zu Ende war, weinte ich. Der Mann kommt auf dem Rasenmäher bei seinem Bruder an. Sie starren sich an. „Did you ride that thing all the way out here to see me?“, sagte der eine. „I did, Lyle“, sagte der andere. Manchmal musste ich tatsächlich weinen, wenn ich alleine Filme guckte.
    „Schläfst du hier?“, fragte Vicki, als sie aufwachte. Ich nickte erneut. Sie nahm mich bei der Hand und zog mich in ein kleines Zimmer, wo eine Matratze auf dem Boden lag. Daneben stand ein kleiner Tisch mit schwarzen Kerzen. Sie hatte einen Schrank und eine Menge Koffer, auf denen überall Klamotten verstreut lagen. Sie zog ihre Bluse und ihre Jogginghose aus und kroch unter die Decke. Ich tat es ihr nach und legte mich neben sie. Jegliches Selbstvertrauen war dahin. Ich hatte nicht einmal einen Steifen. Sie drehte sich mit dem Gesicht zur Wand, nahm meinen Arm und legte ihn um sich. Dann machte sie das Licht aus. Es war das erste Mal, dass ich bei einem Mädchen übernachtete – und sonst nichts.
    „Hi Nick“, sagte Sandra. Sie schlich auf Zehenspitzen die Treppe herab. „Ich hab Schluss gemacht, okay?“ Ich zog mir die Schuhe aus. Todmüde. Die halbe Nacht hatte ich Vicki beim Atmen zugehört. Hatte meinen Brustkorb dem Takt folgen lassen. Ein. Aus. Ein. Aus. Ohne das Bedürfnis zu verspüren, mich umzudrehen. Ich hatte mit Zen-Atmung dagelegen und nachgedacht. Hatte mir einen Überblick über die Zebras verschafft. Ich konnte nun jedes einzelne erkennen, ohne jedoch zu wissen, wie ich sie erlegen konnte.
    „Ich habe ihn am Morgen danach im Krankenhaus besucht, wusstest du das?“
    „Ja. Mama hat es mir erzählt. Ich dachte, du wolltest dich bei ihm entschuldigen.“ Sie warf ihr Haar zurück.
    „Ich weiß nicht, was ich dort wollte. Als ich ihn dort gesehen habe, tat er mir natürlich erst einmal voll leid. Seine Nase muss operiert werden.“
    „Ich bin zu weit gegangen. Ist mir schon klar.“
    „Es geschieht ihm nur recht. Ich hatte Blumen dabei. Er hat mich angelächelt und über Schmerzen in der Brust geklagt. Dann hab ich ein bisschen Ordnung gemacht, eine Vase für die Blumen mit Wasser gefüllt und so. Vor mir waren noch andere mit Blumensträußen gekommen. Neben einem davon lag eine Karte. Ich hoffe, du erholst dich schnell wieder. Du fehlst mir. Love, Meta. Mit einem Herzen daneben. Ich hab das nur aus den Augenwinkeln gesehen. Wer ist Meta?, frage ich ihn also. Ach, das ist nur eine Freundin von der Arbeit, du bist die Einzige, sagt er da. Da nehme ich sein Handy und fuchtle damit ein bisschen herum. Soll ich mal die Nachrichten lesen? Nein, soll ich nicht, findet er. Aber er liegt da und kann nichts machen. Ich hab nicht mal die Zeit nachzuschauen, da sagt er, dass ich eine Nutte bin, und dass er deswegen gezwungen ist, es ab und zu mit

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