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Alles Boulevard: Wer seine Kultur verliert, verliert sich selbst (German Edition)

Alles Boulevard: Wer seine Kultur verliert, verliert sich selbst (German Edition)

Titel: Alles Boulevard: Wer seine Kultur verliert, verliert sich selbst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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der Raub-CDs, sondern weil sich mit Leichtigkeit und völlig ungestraft Songs, Konzerte und Alben aus dem Internet herunterladen lassen. Alle Kampagnen, die Musikpiraterie einzudämmen, waren vergeblich, und tatsächlich haben viele Plattenfirmen Konkurs angemeldet oder stehen kurz vor dem Aus, allzu unfair ist diese Konkurrenz, die ein Publikum, das sich keinen Deut um die Gesetze schert, am Leben erhält und expandieren lässt.
    Was ich zu Filmen, Büchern und Musik sage, gilt grundsätzlich natürlich auch für eine Unzahl von Markenprodukten, ob Parfüm, Kleidung oder Schuhe. Bei einem meiner letzten Besuche in Rom musste ich ein paar Touristenfreunde zu einem großen »Imitate-Markt« begleiten, wo gefälschte Waren bekannter Marken mit Etikett und allem Drum und Dran zu einem Viertel oder Fünftel des Preises der Originale verkauft werden. Für diese Art von Handel ist also nicht nur die Dritte Welt anfällig. Auch in der Ersten hat sich eine solche Praxis inzwischen fest etabliert und bedroht all jene, die im Rahmen der Legalität produzieren und vertreiben.
    Wo die Gesellschaft in der Breite dem Gesetz den Rücken kehrt, kommt eine geistige Dimension ins Spiel, die wir nicht vergessen dürfen. Denn der große Ansehensverlust der Politik hat ohne Zweifel auch mit dem Zusammenbruch einer religiösen Ordnung zu tun, die in der Vergangenheit, zumindest im Westen, den Überschreitungen und Exzessen der Herren der Macht entgegenzuwirken vermochte. Mit dem Verschwinden dergeistigen Vormundschaft jedenfalls erhoben all jene Dämonen ihr Haupt, die die Politik herabwürdigen und die Bürger verleiten, in ihr nichts Edles und Selbstloses mehr zu sehen, sondern ein von Unredlichkeit beherrschtes Geschäft.
    Die Kultur sollte das Vakuum, das die Religion hinterlassen hat, ausfüllen. Nur wird das nicht geschehen, solange sie ihre Verantwortung verrät, allein nach dem Gefälligen schielt, sich den dringendsten Problemen verweigert und zur bloßen Unterhaltung wird.

Vorgeschichte
    Prüfstein
Das Private und das Öffentliche
    Seit ich seine Bücher und Artikel zu lesen begann, es muss etwa dreißig Jahre her sein, passiert mir mit dem Schriftsteller und Philosophen Fernando Savater etwas, was mir sonst mit keinem anderen meiner Lieblingsautoren passiert: Fast immer bin ich mit seinem Urteil oder seiner Kritik einverstanden. Seine Argumentation leuchtet mir meist sofort ein, auch wenn ich dafür von Grund auf korrigieren muss, was ich bis dahin dachte.
    Ob es um Politik, Literatur, Ethik oder gar Pferde geht (von denen ich nichts verstehe, ich weiß nur, dass ich die wenigen Male, die ich eine Rennbahn betreten habe, beim Wetten kein einziges Mal gewann), Savater war für mich immer ein engagierter Intellektueller, wie er im Buche steht, prinzipientreu und zugleich pragmatisch, einer jener seltenen zeitgenössischen Denker, die es schaffen, in diesem verschlungenen Dickicht der heutigen Welt stets klar zu sehen und uns, die wir etwas verirrt umherlaufen, eine Orientierung zu geben, auf dass wir den verlorenen Weg wiederfinden.
    All das kommt mir in den Sinn anlässlich eines seiner Artikel über Wikileaks und Julian Assange im Nachrichtenmagazin Tiempo . All denen, die die Verbreitung Tausender von vertraulichen Dokumenten der Vereinigten Staaten als Großtat gepriesen und Assange als Freiheitshelden gefeiert haben, empfehle ich wärmstens, diesen überaus intelligenten, mutigen und besonnenen Beitrag zu lesen. Auch wenn er ihre Meinung nicht ändert, bringt er sie, da bin ich sicher, doch wenigstens zum Nachdenken, und sie werden sich fragen, ob sie sich nicht etwas vorschnell haben begeistern lassen.
    Savater stellt fest, dass sich in der ganzen großen Auswahl an zugespieltem Material praktisch keine bedeutenden Enthüllungen finden; dass die vertraulichen Informationen und Meinungen, die so ans Licht kamen, längst bekannt oder für jeden einigermaßen informierten Beobachter der politischen Szene kaum überraschend waren und dass sie überwiegend Klatsch und Tratsch enthalten – es gehe also nur darum, jene Frivolität zu bedienen, die unter dem Banner der Transparenz tatsächlich nichts anderes biete als das in den Himmel gehobene »Recht aller, alles zu wissen: dass es keine Geheimnisse und keine Diskretion mehr gibt, die sich der Neugier von jemandem entgegenstellen könnte […], wer immer dabei zu Fall kommt und was immer wir unterwegs verlieren«. Dieses angebliche »Recht«, fügt er hinzu, sei »Teil der

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