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Alles Fleisch ist Gras

Alles Fleisch ist Gras

Titel: Alles Fleisch ist Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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von den beiden entfernt im Wald hinter dem hohen Zaun. Was gesprochen wurde, konnte sie nicht verstehen, der Wind säuselte in den Blättern. Das Bild war deutlich, aber grün gefärbt; das Nachtsichtgerät stammte aus derselben weißrussischen Fabrik wie das Gerät des verschwundenen Roland Mathis, aber das wusste sie nicht.
    Der eine war Galba, den anderen kannte sie nicht. Der hatte etwas dunkles Textiles über den Arm gelegt, das übergab er an Galba. Der schien sich zu wehren, wollte die Gabe nicht annehmen, die Stimmen erhoben sich, im selben Augenblick erhob sich aber auch der Wind, sie konnte nichts verstehen. Eine kurze Weile wurde gestikuliert – von Galba, der andere,der ihr halb den Rücken zuwandte, blieb ruhig, wartete ab, bis sich Galba beruhigt hatte.
    Sie machte ein paar Fotos.
    Galba schien sich nun mit dem Geschenk abzufinden, nahm den Gegenstand, was es auch war, Mantel oder Jacke, sie gingen die paar Schritte zum Auto und stiegen ein, Galba mit dem Paket auf der Beifahrerseite. Das Auto fuhr los. Die Bedächtigkeit, mit der es geschah, erinnerte sie an die Fahrweise alter Männer oder an … Sie kam nicht drauf. Etwas Illegales war hier geschehen – und wenn nicht geschehen, so doch abgesprochen worden. Aber was? Das konnte sie sich nicht vorstellen. Man hätte nun ein anderes Mitglied des Überwachungsteams auf einer garantiert abhörsicheren Leitung von der Abfahrt des Wagens mit der Nummer DO 224 EL informieren und die weitere Verfolgung mit, sagen wir, drei oder vier verschiedenen Autos in die Wege leiten sollen. Wie im Kino. Aber es gab kein weiteres Mitglied des Überwachungsteams. Das bestand aus ihr selbst. Es gab auch keine drei oder vier Autos, sondern nur eines, ihres; es stand weitab auf einem Parkplatz nahe der Furt, wo es nicht auffiel, weil hier die abendlichen Jogger parkten. Wenn sie rannte, war sie in fünf Minuten dort. Zu spät für irgendeine Art der Verfolgung. Ein Richtmikrophon wäre günstig gewesen, so eines mit halbmetergroßem Parabolspiegel … Es brachte nichts, darüber nachzudenken. Sie brauchte mehr Informationen.
    Sie wusste alles, was für sie zu wissen nötig war, das schon. Sie hatte mit dem Sammeln von Informationen begonnen, weil ihr Ungereimtheiten aufgefallen waren. Beim Sammeln dieses Wissens hatte sie so etwas wie Jagdinstinkt gepackt. Und sie hatte nicht damit aufgehört, mit dem Sammeln. Einfach so. Weil es Spaß machte, weil es Befriedigung verschaffte. Jetzt konnte sie nicht mehr aufhören, sie musste diese Sacheaufklären. Das hieß: Sie musste einfach dranbleiben, sie durfte nicht lockerlassen. Auch ohne Richtmikrophon und vielköpfiges CIA-Überwachungsteam.
    Es würden sich andere Gelegenheiten bieten.
    Durch die Dunkelheit marschierte sie auf ihr Auto zu, in der einen Hand das Nachtsichtgerät, in der anderen die Kamera.

    *

    Das Schild, das im Lichtkegel auftauchte, war eindeutig. Fahrverbot. Darunter noch eine Tafel mit weiteren Hinweisen; Galba konnte nichts entziffern, weil Chefinspektor Weiß mit unverminderter Geschwindigkeit daran vorbeifuhr. Ungefähr fünfzig. Viel zu schnell für den Schotterweg. Links flogen Weidenbüsche vorbei, rechts die dunkle Böschung des Damms.
    »Warum so schnell?«, fragte er.
    »Es muss echt aussehen.«
    Echt aussehen? Für wen? Die Antwort ergab keinen Sinn. Wenn Galba die Sache richtig verstanden hatte, kam es doch darauf an, dass niemand sie beide in diesem Auto sehen sollte, gar niemand. Wenn das nämlich geschah, war der Plan gescheitert. Aber was wusste er von Plänen? Da war Weiß sicher der besser Ausgebildete. Es konnte auch sein, dass Weiß allmählich verrückt wurde; was heißt allmählich und wurde , vielleicht war er es schon oder wurde es gerade im Schnellverfahren. Wie auch immer, Anton Galba kam bei allen Überlegungen immer zum selben Ergebnis: Er konnte nichts tun.
    Weiß reduzierte die Geschwindigkeit und schaltete das Licht aus. Galba fasste nach vorn ins Dunkel, versuchte sich am Armaturenbrett abzustützen.
    »Mach Licht!«, schrie er.
    »Keine Bange. Ich seh genug. Ich bin nicht nachtblind.« Er schaltete noch einen Gang herunter und ging vom Gas. Galba entspannte sich. »Du erschreckst einen noch zu Tode … mit … deinen Aktionen …« Weiß lachte.
    »Die letzte Phase muss im Dunkeln stattfinden«, erklärte er. Die letzte Phase von was? Und warum im Dunkeln? War das ein Hinweis auf ein düsteres Ende? Anton Galbas düsteres Ende? Das ergab zwar keinen Sinn, war aber bei einem

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