Alles für die Katz
blöden Katze scheitern. Man stelle sich vor, Lenin wäre wegen einer Katze nicht nach Moskau gefahren. Unsere Revolution endet total hier.«
Sie rannte, jetzt wieder schwer atmend, aus dem Zimmer und keuchte noch ein wenig auf dem Flur rum.
Terror war nun völlig aus dem Häuschen. Seine dumme Rund-Mütze rutschte ihm ins Gesicht, als er sich plötzlich in dem Sessel aufstellte (und dabei fast stürzte) und mit geballter Faust ausrief: »Also, dat is doch ne falsch verstandene Basisdemokratie, näh. Dat is doch’n Thema, wo ma überhaupt nicht drüber abstimmen kann, dat geht doch nicht. Et gibt Dinge, da kann man überhaupnich drüber abstimmen, näh.«
Er sabbelte dann noch etwas vom Schutz der Minderheiten, redete von Verdiensten, die sich »die Dodo, näh« für die WG erworben habe und sagte dann, dass er sich nun mal »ume Dodo, näh,« kümmern und unter keinen Umständen an der Abstimmung teilnehmen werde: »Dat is für mich überhaupt keine Abstimmung, näh.«
Dann rannte auch er aus dem Zimmer. Hondi meinte, dass man nun abstimmen könne: »Wer für die Katze ist, soll die Hand heben.«
Alle vier waren für mich.
Ich war recht stolz, dass ich, ohne einen Mauz von mir zu geben, diese beiden Witzfiguren besiegt hatte. Der Langhaarige meinte nach meinen Sieg auf der ganzen Linie, dass er mich mit auf sein Zimmer nehmen würde, und »dann können wir ja mal weitersehen. Ich nenne den Kater übrigens Joschka.«
Es gibt Dinge, da sind uns Katzen einfach die Pfoten gebunden – bei der Namensgebung zum Beispiel. Sehe ich etwa wie ein dauerlaufendes Fotomodell für die Welthungerhilfe aus?
Eins stand fest: Lange würde ich mich in der WG nicht wohl fühlen – das war mir sofort klar.
In der Mitte des Langhaarigen-Zimmers stand ein Bett, dessen Bezug vermutlich schon von Napoleon bei der »Völkerballschlacht von Malmedy« gebraucht gekauft worden war. Über den Bezug hatte der Langhaarige eine weiß-schwarze Decke gezogen, die so kratzte, dass ich während meines Aufenthalts in der WG immer einen großen Bogen um sie machte. Der Rest des Zimmers war mit leeren Bierkästen und vielen, vielen Büchern ausgefüllt. Ein Sessel – Modell: »Stand-beim-Sperrmüll-rum« – und ein kleiner Rauchtisch rundeten das Mobiliar des viereckigen Zimmers ab. Egal, dachte ich mir, auf jeden Fall hast du hier erst einmal deine Ruhe vor den Blockflöten-Gesichtern.
Auf dem Flur hörte ich die Schrille schreien. Oder sollte ich besser sagen: Total schreien …
Der Langhaarige nahm sein Halstuch ab, ging raus und kam mit einem kleinen Wäschekorb wieder, den er mit Kissen auslegte. Quasi als Abrundung, ich glaube, das war ein großes Opfer für ihn, legte er sein Halstuch über all’ die Kissen: »Ja, das ist für dich, ja«.
Dann brachte er mir etwas zu essen, irgend etwas mit viel Kartoffeln und Gemüse, bäh, aber keine Spur von Fleisch. Ich muss hier allerdings einschieben, dass dies das schlechteste Essen war, was ich von dem Langhaarigen je bekam. An all den anderen Tagen brachte er mir die Restwürste von seinem Verkaufsstand mit, wo er halbtags arbeitete. Ich erfuhr im Laufe der Zeit, dass der Langhaarige in Wirklichkeit nicht Herm, sondern Dieter hieß und zu einer Schule für Erwachsene ging, die er »Uni Bonn« nannte. Allerdings fuhr er nur selten hin. Dort studierte er etwas über die Art, wie ihr Menschen sprecht. Wenn wir Katzen dies studieren würden, würde man es wohl Miauistik oder Mauzistik nennen. Ich muss mich direkt einmal erkundigen, ob es das gibt.
»Es ist nie zu spät, um etwas zu lernen« würde Eduard sagen und mit einer schnellen Handbewegung sein Brillengestell hochschieben.
Aber zurück zu den seltsamen Menschen. Ich legte mich zufrieden in das Körbchen, übrigens herrlich weich, und verstand nicht, dass der Langhaarige nicht selbst darin schlafen wollte. Die Anstrengung mit den Grünen in der Brüllmaschine hatte mich stark erschöpft. Ich muss ziemlich lange geschlafen haben, denn als ich wach wurde, war es draußen schon recht dunkel.
»Na gut«, dachte ich bei mir, »schau’ ich mal nach, was denn die seltsamen Vögel in der Wohnung so treiben.«
Wie immer saßen sie in der Küche rum. Also trabte ich durch den Flur, immer dem Lärm nach. Die sechs hockten um einen Tisch, und rauchten die kleinen Feuerstäbchen. Das Zimmer war so vernebelt, dass ich zunächst die einzelnen Pfeifenköpfe überhaupt nicht erkennen konnte. Ich bekam kaum Luft, und ich sehnte mich nach einer
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