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Alles für die Katz

Alles für die Katz

Titel: Alles für die Katz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Venn
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gesagt: In den Häusern, die man Kloster nannte, fühlte ich mich katzenwohl. Die Augenblicke, bei denen ich an das Menschenmädchen dachte, wurden immer weniger, und ich bin sicher, ich würde heute noch mit Lola rumstreifen, wenn nicht eure Kompliziertheit wieder in mein Leben eingegriffen hätte.
    Es begann alles recht harmlos.
    Pater Roland hatte Fleisch gekocht und für uns Katzen einen herrlichen Knochen mit vielen Resten abgezweigt. Wie ich so meine Stücke rausriss, kam plötzlich ein Brauner, den ich noch nie gesehen hatte. Er war recht groß, recht dünn und recht blass. Pater Roland begrüßte ihn sehr freundlich, aber nicht so grob, wie es sonst seine Art war. Irgendwie verhielt er sich ganz anders – ich weiß auch nicht, wie ich das erklären soll. Normalerweise schlug er den anderen Braunen auf die Schulter und lachte, dass die Töpfe zitterten.
    Aber hier war er so wie, ja – ich hab’s – wie ein Vater. Aber nicht unbedingt wie Eduard.
    Ich erfuhr, dass der blasse Braune Pater Dominik hieß und lange sehr krank gewesen war. Über die Krankheit kann ich nicht mehr erzählen, als dass Pater Roland immer nur von »wieder besser« und »das haben wir alle mal erlebt« sprach.
    Übrigens bin ich der Meinung, dass euch das auch nichts angeht …
    Pater Dominik musste sich hinsetzen, da er nicht gut stehen konnte. Ich sah einen Verband an einem Handgelenk. Pater Roland schwatzte dann unbedeutendes Zeug und ich merkte natürlich sofort, dass er sich nicht recht wohl fühlte in seiner Haut. Der blasse Braune antwortete nur mit »Jaja« und »Em-em« und schaute dabei wie ein Mensch, der von einem hohen Berg in eine sehr weite Ferne blickt. Nach kurzer Zeit stand der blasse Braune plötzlich auf und sagte, dass er jetzt gehen müsse, da er noch etwas zu tun habe.
    Er war schon an der Tür, da sah er mich: »Oh, eine neue Katze.«
    Pater Roland berichtete, dass ich zugelaufen sei und nun auch im Kloster wohne. Der Blasse fragte, ob jemand etwas dagegen hätte, wenn er mich mit in sein Zimmer nehme. Er sagte allerdings nicht Zimmer – sondern Zelle.
    Sollte hier doch ein Straflager sein?
    Der Blasse nahm mich auf den Arm und ging mit mir zu dem großen Haus, in dem er offensichtlich wohnte. Sein Zimmer – ich weiß, es heißt Zelle – war nicht gerade toll eingerichtet: Ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl, ein Schrank, ein Waschbecken, ein paar Bücher und sonst nichts. Über dem Bett hing eine seltsame Figur: Ein Mensch, der sich an einem Holz festhielt.
    Pater Dominik setzte mich ganz vorsichtig auf das Bett und schaute mich mit diesem Fernblick an. Diesen Blick kannte ich zwar nicht, trotzdem stellte ich mich auf eine längere Erzählung ein. Es ärgerte mich nur ein wenig, dass Pater Dominik kein Fleisch in seinem Zimmer hatte. Immerhin hatte er mich von einem herrlichen Knochen weggeholt.
    Aber ich hatte falsch getippt.
    Er erzählte mir nicht sein Leben sondern schaute mich nur mit diesem seltsamen Blick an und streichelte mich ganz, ganz vorsichtig. Ich mag sonst nicht, wenn Männer an mir rumfummeln. Aber Pater Dominik – das war etwas anderes. Irgendwie war das alles sehr lieb, sehr zärtlich.
    Wenn ich in den nächsten Tagen nicht nachts mit Lola unterwegs war, schlief ich bei dem Blassen auf den Füßen. Da sein Zimmer direkt an den Garten grenzte, konnte ich sehr leicht in seine Zelle springen. Eine Sache störte mich allerdings an dem traurigen Braunen: Er stand jeden Morgen sehr, sehr früh auf und ging mit den anderen in das Haus mit dem Turm. Dort sangen sie ihre Lieder, man konnte es über den ganzen Hof hören.
    Wir Katzen, sieht man einmal von einigen hellen Mondnächten ab, neigen nicht sehr zu Musik. Ihr gebt zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit Musiktöne von euch, ihr quetscht sogar Musik in runde Scheiben. Wie gesagt, ich kann eure Musiklust nicht ganz verstehen. Absolut kein Verständnis habe ich aber, wenn Leute wie die Braunen mitten in der Nacht aufstehen, um in einer kalten Halle zu singen. Ja, kann man denn nicht warten, bis es hell ist? So schön kann es doch nicht sein, immer und immer wieder die gleichen Lieder zu singen!
    Aber dies nur am Rande: Das frühe Singen war auch das einzige, was mich an dem Braunen mit dem Fernblick störte.
    Nach dem Singen kam er nie in das Zimmer zurück. Immerhin hätte er sich auch dann noch aufs Ohr legen können.
    Die Braunen setzten sich, wenn sie mit dem Singen in der kalten Halle fertig waren, in einem großen Raum zusammen und

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