Alles ganz Isi - Islaendische Lebenskunst fuer Anfaenger und Fortgeschrittene
zieht mir erbarmungslos in die Nase, es riecht nach Pissoir. Im besten Fall sollen Speisen ja die Geschmacksnerven
kitzeln und ein wohlwollendes »Mmmh« provozieren, doch Hákarl erreicht das absolute Gegenteil. Aber was will ich von einem
vergammelten Hai wiederum auch anderes erwarten? Schon die Wikinger aßen ihn, genau wie alles andere, was sie nicht umbrachte.
Es war ihre einzige Möglichkeit, auf der kalten nordischen Insel zu überleben. Heute gilt der verrottete Hai als Delikatesse,
die zu traditionellen Festen serviert wird.
Der in Stücke geschnittene Hai erinnert optisch an einen weißen Käsewürfel und mundet wie in Ammoniak getränkter Speck. Die
beste Strategie ist, ihn einfach so schnell wie möglich herunterzuschlucken. »Stell dich nicht so an«, sagt ein Freund von
mir, als wir gemeinsam im Sægreifinn, einem urigen Fischerrestaurant am Reykjavíker Hafen, sitzen. »Hier, ich esse es, ohne
mich so zu zieren.« Dann stopft er sich gleich vier Stücke hinein. »Siehst du, überhaupt kein Problem.« Doch auch er trinkt
danach erst mal einen großen Schnaps, der passenderweise »Brennivín«, brennender Wein, genannt wird und den Beinamen »schwarzer
Tod« trägt. Anders ist diese Geschmacks-explosion im Gaumen auch nicht zu beenden. Manchmal glaube ich, die Isländer essen Hákarl nur noch, um danach ordentlich Brennivín
bechern zu können. Und natürlich lieben sie es, Besucher damit zu schocken.
Hergestellt wird Hákarl fast noch wie zu Wikingerzeiten; sie zerlegen den Grönland- oder Eishai und lagern die Brocken anschließend
mindestens sechs Wochen in einer Holzkiste, wo er dann vor sich hin stinkt. Ein sehr wichtiger Prozess, denn da der Fisch
keine Nieren hat, sammeln sich seine Stoffwechselgifte im Fleisch. Beim Verrotten werden dann giftige Stoffe wie das Ammoniak
freigesetzt. Bevor die gewöhnungsbedürftige Delikatesseauf dem Teller landet, lassen sie den Hai noch für einige Wochen in halboffenen Hütten lufttrocknen, bis sich eine braune
Kruste bildet. Selbst bei frischer Luft erschlägt einen der Geruch, dennoch ist es auch rührend zu sehen, wie stolz einige
Hobbyköche ihr Hákarl herausholen, um lustvoll daran zu schnuppern.
Stinkt der gut! Haischnuppern
Bingo – beliebte Freizeitbeschäftigung
Auch wenn ich mir nach dem ersten Mal vorgenommen hatte, nie wieder vergammelten Hai zu essen, wurde er mir später noch häufig
unter die Nase gehalten. Fünf Mal ließ ich mich überreden, aber nur, wenn Brennivín in der Nähe war. Vor anderen isländischen
Spezialitäten konnte ich mich bisher drücken: Dazu zählen in Molke eingelegte Widderhoden, angesengte Schafsköpfe (die Augen
sollen das Beste sein), Gammelrochen, Hirnsülze und Blutpudding.
Es sind die klassischen Gerichte, die auch früher selbst in den kältesten Monaten des Jahres noch verfügbar waren. Und so
werden sie bis heute stets beim traditionellen Fest Þorrablót, das zwischen Januar und Februar gefeiert wird, auf dem Buffet
des Grauens ausgestellt. Auch im Exil wird Þorrablót ausgiebig zelebriert und mit reichlich Brennivín begossen. So gestärkt
und berauscht spielen die Wikingernachfahren dann Bingo, führen kurze Theaterstücke auf und singen jedes Lied, das ihnen einfällt.
In isländischen Supermärkten sind die eigenwilligen Gerichte überall zu finden, nicht nur in Feinschmecker-Geschäften, sondern
auch beim Discounter. In Tiefkühltruhen und an Tresen liegen neben Lachs und Kabeljau selbstverständlich halbierte Schafsköpfe,
Lammherzen im praktischen Viererpack, Sülzen, Leber und sonstige Innereien. Und nicht nur das: Sie werden sogar in Zeitungsanzeigen
groß und in Farbe angepriesen.
Für die Isländer ist das normal, doch im Alltag greifen auch sie immer häufiger zur Tiefkühlpizza oder kaufen sich Sushi.
Ein beliebter Snack sind zudem Hot Dogs mit gerösteten und rohen Zwiebeln, Remoulade, Ketchup und Senf. Das nennt sich dann
»pylsa með öllu«, eine »Wurst mit allem«.
Sláturterta (Blutwursttorte)
Man braucht:
1 Liter Blut
7 dl Wasser
2 Esslöffel grobes Salz
400 Gramm Haferflocken
500 Gramm Roggen 500 - 600 Gramm Fett
Blut, Haferflocken, Wasser und Salz werden mit den Händen in einer großen Schüssel kräftig vermengt und geknetet, bis sich
vor dir eine blutige Suppe ausbreitet. Die lässt du dann einen Moment stehen, bis sich das Salz aufgelöst hat und die Haferflocken
richtig feucht
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