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Alles Glück kommt nie

Titel: Alles Glück kommt nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Wänden, die vermutlich unter den Valois zuletzt gekalkt worden waren, Daten und Vornamen von Kindern entlang einer unsichtbaren Messlatte, zahlreiche Risse, ein Stillleben, eine stumme Kuckucksuhr und Regalbretter, die es sichzur Aufgabe gemacht hatten, die Uhren wieder richtigzustellen, bewiesen sie doch ein Leben mehr oder weniger in der Jetztzeit, so sehr bogen sie sich unter dem Gewicht von Spaghettipäckchen, Reis, Getreideflocken, Mehl, Senfgläsern und anderen vertrauten Markengewürzen in sogenannten Familienpackungen.
     
    Und dann ... Diese Dichte vor allem ... Die letzten Strahlen eines der längsten Tage des Jahres fielen durch eine mit Spinnweben verzierte Scheibe.
    Akazienlicht, bernsteinfarben, still. Voller Wachs, Staub, Haare und Asche ...
    Charles drehte sich um: »Lucas!«
    »Aus dem Weg, ich muss sie nach draußen bringen, sonst kackt sie überall hin.«
    »Was ist das denn?«
    »Hast du noch nie eine Ziege gesehen?«
    »Die ist aber winzig!«
    »Ja, aber sie kackt trotzdem ziemlich viel. Gehst du mal aus der Tür, bitte –«
    »Und Alice?«
    »Oben ist sie nicht. Komm mit, wir suchen sie draußen. Mist, jetzt ist sie mir entwischt!«
    Die Kackziege war auf den Tisch geklettert, und Lucas’ Kommentar war: Macht nichts, nicht so schlimm. Yacine würde die Kotkugeln in eine Bonbonschachtel füllen und mit in die Schule nehmen.
    »Bist du sicher? Der Hund scheint nicht ganz einverstanden.«
    »Ja, aber er hat keine Zähne mehr. Kommst du?«
     
    »Nicht so schnell, mein Lieber, mir tut das Bein weh.«
    »Ach ja. Das hatte ich vergessen. Entschuldigung.«
    Der Kleine war echt klasse. Charles brannte darauf, ihn zu fragen, ob er seine Großmutter kennengelernt hatte, aber ertraute sich nicht. Traute sich nicht, weitere Fragen zu stellen. Hatte Angst, etwas kaputtzumachen, sich danebenzubenehmen, sich außerhalb der übrigen Welt auf diesem entwaffnenden Planeten, den man über eine baufällige Brücke erreichte, wo die Eltern tot waren, die Enten aufrecht gingen und die Ziegen in Brotkörben lagen, noch tölpelhafter zu fühlen.
    Er hatte Lucas die Hand auf die Schulter gelegt und folgte ihm in die untergehende Sonne.
     
    Sie umrundeten das Haus, überquerten eine Wiese mit hohem Gras, in die nur ein schmaler Weg gemäht worden war, wurden von den Hunden aus dem Kofferraum eingeholt, rochen ein Feuer aus Gestrüpp (auch diesen Geruch hatte er vergessen) und entdeckten sie in der Ferne, am Waldrand, im Kreis, wie sie sich einander etwas zuriefen, lachten und um die Flammen hüpften.
    »Verflixt, er kommt uns nach.«
    »Wer?«
    »Kapitän Haddock.«
    Charles brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, um welches Tier es sich handelte.
    Er lachte in sich hinein.
    Wem könnte er das erzählen?
    Wer würde ihm glauben?
    Er war als Rattenfänger gekommen, um sich mit seiner Kindheit auseinanderzusetzen und sie endlich hinter sich zu lassen und in Ruhe alt zu werden, doch schon fiel er wieder in die Kindheit zurück, zog sein Holzbein nach, weil, ja wirklich – äh – diese Lamas waren sehr launisch, oder? Ja, er lachte in sich hinein und wünschte sich sehr, Mathilde wäre da. Verdammt. Es spuckt gleich, es spuckt gleich, das spür ich.
    »Folgt es uns noch?«
    Aber Lucas hörte ihn nicht mehr.
     
    Ein Schattenspiel.
    Eine erste Silhouette drehte sich um, eine zweite machte Zeichen, ein weiterer Hund kam ihnen entgegen, eine dritte zeigte mit dem Finger auf sie, eine vierte, winzige, rannte in Richtung der Bäume davon, eine fünfte hüpfte über das Feuer, eine sechste und eine siebte applaudierten, eine achte nahm Anlauf, eine neunte drehte sich schließlich um.
    Charles konnte noch so sehr die Augen zusammenkneifen und sie mit der Hand beschatten, Lucas hatte die Wahrheit gesagt: Es gab keine Erwachsenen. Er wurde unruhig. Es roch nach versengtem Gummi. War es nicht ein wenig gefährlich, all diese Turnschuhe, die durch die Glut schlitterten?
    Verlor dann den Halt. Sein kleiner Spazierstock war ihm abhanden gekommen. Die letzte Silhouette, die mit dem Pferdeschwanz, hatte sich umgedreht, hatte sich vorgebeugt, die Arme ausgebreitet, und Lucas warf sich hinein.
    Pling.
    Eine Flipperkugel.
    » Heiooo Mister Spiderman ...«
    »Warum sagst du immer Speidermähn?«, regte er sich auf, »das heißt doch Speidermenn, wie oft hab ich dir das schon gesagt?«
    » Okay, okay. Pardon, guten Tag, Monsieur Speidermenn, alles in Ordnung? Willst du bei unserem Todessprungwettkampf mitmachen?«
    Sie richtete sich

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